2017 - 2020


Artikel / Articles



- Japan ehrt Dresdner Star-Tenor Peter Schreier
- Peter Schreier ist gestorben/died
eine Auswahl aus vielen Artikel / a choice from a lot of articles
- Peter Schreier - Weltstar aus der DDR
- Peter Schreier mal zwei
- Schreier-Büste steht wieder in Kreischa

- Abschied von Theo Adam
- Der Weltsachse

- Edda Moser und Peter Schreier plaudern aus Karriere-Nähkästchen
- Peter Schreier in Gotha
- Meisterkurs hat begonnen
- Peter Schreier gestohlen
- Sofort Feuer und Flamme
- Bronzebüste für Star-Tenor
- „Jetzt mach’ ich auf Sprecher“
- Musikalischer Lichtblick in der Fastenzeit



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TAG24 22.02.2020
Japan ehrt Dresdner Star-Tenor Peter Schreier mit dem "Orden der Aufgehenden Sonne". Der Botschafter kam dafür extra nach Dresden
Von Torsten Hilscher

"Peter Schreier war ein großer Tenor und Dirigent, der mit seiner Kunst und seinem Wirken hohe Verdienste um die Freundschaft zwischen Japan und Deutschland hat", begründete Botschafter Takeshi Yagi (65) den Akt.
Seine Exzellenz war für die Übergabe an die Hinterbliebenen persönlich angereist, ein Zeichen besonderer Wertschätzung im strengen japanischen Protokoll.


Torsten - Renate Schreier,  Takeshi Yagi

Der Botschafter outete sich als Fan und schilderte in bewegenden Worten, wie er Schreier Ende der 1970er-Jahre habe in München erleben dürfen. Nach Japan sei der Kammersänger erstmals 1974 gekommen - als erster DDR-Künstler überhaupt.Insgesamt habe Schreier das Land der aufgehenden Sonne 30-mal besucht. Noch heute gebe es dort einen Fanclub sogar einmal hätte heiraten wollen. Der aber war damals bereits mit seiner Renate verheiratet. Die heute 84-Jährige war es auch, die den Orden entgegennahm, von dessen Zuerkennung 2019 ihr Mann noch erfuhr.

Mit Torsten Schreier (62) dankte einer der beiden Söhne im Namen der Familie.

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Peter Schreier, Kreuzkirche Dresden, 08012020
Abschied in der Kreuzkirche am 8. Januar 2020



Peter Schreier ist gestorben / died
eine Auswahl aus vielen Artikel / a choice from a lot of articles




Musikverein, 03.2020
Der Evangelist der Sangeskunst
Zum Tod von Peter Schreier  

Seine Stimme mag an diesem Tag an vielen Orten gehört worden sein, in Aufnahmen des „Weihnachtsoratoriums“ mit ihm. Peter Schreier war der Evangelist, die Tenorstimme für Bach. Ein Sänger, der – mehr noch – eine Epoche geprägt hat.
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Neue Musikzeitung NMZ, 02.2020
Nachruf Peter Schreier

Wieder Schuberts „Schöne Müllerin“: Als Peter Schreier den Liederzyklus Anfang der Achtziger Jahre zusammen mit dem Gitarristen Konrad Ragossnig aufnahm, war dies weder die erste noch die letzte Einspielung, die er von diesem zentralen Werk vorlegte. Doch passender, weil natürlicher hat Peter Schreiers Tenor selten geklungen. Hinter dieser vermeintlichen Natürlichkeit steckte freilich eine meisterhafte Beherrschung der Stimmtechnik, die im Dresdner Kreuzchor ihren Ausgangspunkt hatte, wo er als Knabenalt auf sich aufmerksam machte. Hier wurde auch der Grundstein für Schreiers lebenslange Beschäftigung mit der Musik Johann Sebastian Bachs gelegt. Seine auf exzellenter Textbehandlung basierende Interpretation der Evangelisten-Rollen in den Passionen setzte Jahrzehnte lang Maßstäbe. Seine internationale Karriere als Opernsänger führte ihn an alle großen Theater der Welt, wobei er vor allem in Mozart-Partien brillierte. Parallel zu seiner Gesangstätigkeit, die auf zahllosen Tonträgern dokumentiert ist, war Peter Schreier auch als Dirigent aktiv. Auch hier lag ein Schwerpunkt auf Bachs Werken. Für sein Wirken wurde Schreier mit vielen Preisen geehrt, unter anderem 1988 mit dem Preis der Ernst von Siemens Musikstiftung. Am 25. Dezember 2019 ist Peter Schreier im Alter von 84 Jahren in Dresden verstorben. jmk



The Herold Scotland
24.01.2020
Obituary: Peter Schreier, gifted tenor who often sang with the Scottish Chamber Orchestra
By Alasdair Steven

Peter Schreier, who has died aged 84, was an East German tenor blessed with an exceptionally fine and graceful voice that brought an extra dimension to his singing of Schubert lieder. He captured the very essence of the words and music in such demanding song cycles as Die schöne Müllerin and Winterreise with a consummate skill and artistry.

A Schreier recital was always a memorable occasion. This was evidenced when, on his second visit to the Edinburgh Festival in 1995, he gave three solo recitals on successive evenings to a packed Usher Hall of Schubert songs. It was vocally a challenging undertaking and Schreier brought to the evenings a mastery of style and timbre which were acclaimed as one the highlights of the Festival. The Herald critic commented on “the absolute stillness of atmosphere at the end of the recital”.
[....] His career progressed in the next decade with principal roles in important German houses; he made his UK debut when Hamburg Opera visited London in 1966 in Mozart’s Cosi fan tutte. Schreier harboured his voice carefully and seldom sang the heavier Wagnerian roles. However, at the invitation of Herbert von Karajan he sang Loge in Das Rheingold at the Salzburg Easter Festival.
In the opera house the operas of Mozart remained central to his repertoire – he was acknowledged as the outstanding Tamino in The Magic Flute and the Ferrando in Cosi fan tutte. He was also heard as the Count in The Barber of Seville and The Witch in Humperdinck’s Hänsel und Gretel. He appeared at the Salzburg Festival for 25 consecutive seasons.
His first visit to the Edinburgh Festival was in 1981 when he joined a star-studded list of soloists (Margaret Price, Jessye Norman and Hermann Prey) in an acclaimed account of Bach’s St Matthew Passion under Claudio Abbado.

Later Schreier often appeared in the concert hall and on disc with the Scottish Chamber Orchestra. He formed a special understanding with the orchestra when he conducted them on foreign tours. These included a tour of Germany and Austria in 1991 when his conducting of an all-Mozart programme was praised. In 1995 he led the SCO in a concert in Copenhagen when the programme included Mozart and Bach. He also conducted them at a memorable concert of Haydn’s Creation at the church of Jesuits in Lucerne, Switzerland in 1992 which is still available on DVD.

His recordings of Schubert and Schumann songs have won international prizes throughout his career. He recorded with the pianists Geoffrey Parsons and in later years with András Schiff but Schreier’s grace of voice and his ability to make each word and phrase have an extra significance ensured his lieder discs are amongst the most highly regarded. He recorded Winterreise several times – one of the most memorable being of a live performance in 1985 with Sviatoslav Richter.
Schreier also conducted the SCO in a disc of Bach Cantatas where he drew excellent singing from the tenor Olaf Bar accompanied by the playing of the SCO’s late and gifted cellist Kevin McCrae. Gramaphone magazine wrote, “Kevin McCrae’s cello playing sympathetically complements the voice superbly.”
All his recordings were under the most acclaimed conductors – his Mozart discs were mostly under Karl Böhm although he recorded an outstanding Tamino with Colin Davis. Bach remained central to his career both in the studio and in the concert hall. Schreier’s singing of the Evangelist in the St Matthew Passion is a glorious feature of all the recordings under Karl Richter, Abbado and Karajan. His recordings displayed his consummate musical intelligence and were notable for Scherier’s strong characterisation and careful articulation of the words.
Schreier was a traditionalist and was never keen to appear in opera productions that had a heavy political or social concept imposed by a director. The Marriage of Figaro at The Metropolitan set in Trump Towers he considered, “vulgar”. The film Amadeus he felt was “distorted”. “People who get to know Mozart via Amadeus will not really understand what he’s all about. They will not understand his Requiem or Don Giovanni, or his symphonies.”
Peter Schreier is survived by his wife, Renate and their two sons.



Bild Zeitung
10.01.2020
Peter Schreier findet letzte Ruhe neben Schwiegermutter
auf dem Matthäusfriedhof
Von Jürgen Helfricht

Abschied von einem ganz Großen! Gestern, um 11.15 Uhr, wurde Welt-Tenor Peter Schreier († 84) in einem Eichensarg von vier Sargträgern mit Zylinder zur letzten Ruhe gebettet.
Nur die engsten Familienangehörigen und der Pfarrer begleiteten seinen Leichnam auf dem Inneren Matthäusfriedhof. Viele hatten geglaubt, Schreier würde nahe seiner Elbhangvilla auf dem Loschwitzer Künstler- und Prominentenfriedhof beigesetzt werden, wo auch seine Eltern Helene (1904 – 1999) und Max Schreier (1907 – 1999) beerdigt sind. Doch es war der lang gehegte Wunsch von Witwe Renate (84), die seit 1957 mit ihm verheiratet war, den Matthäusfriedhof zu wählen.
Auf diesem Gottesacker befindet sich die Familiengrablege Kupsch, den Eltern von Renate Schreier. Hier ruht der Sänger und Dirigent nun neben dem Dresdner Lungenarzt Dr. med. Alfred Kupsch (1896 – 1935) und Schwiegermutter Maria Therese (1895 – 1972).
Peter Schreier in seiner pragmatischen Art würde zur Grabwahl sicher sagen: „Ist erreichbar!“

Bild Zeitung 09.01.2020
3000 nehmen Abscheid von Start-Tenor Peter Schreier

Schon vor Öffnung der Tore bildeten sich lange Schlangen an den Eingängen zur Wirkungsstätte des berühmten Kreuzchores, dessen Mitglied der Sänger 1945 bis 1954 war.[....]
Am Ende sangen am Mittwoch die 80 Kruzianer im Altarraum den Schlusschoral aus Bachs Johannespassion. Die hatte Schreier 2018 noch in der Leipziger Thomaskirche selbst dirigiert. Die jungen Sänger umringten den schlichten Eichensarg, auf dem ein Gesteck aus gelb-roten Rosen und Gerbera lag - und nahmen den Ausnahme-Kruzianer symbolisch noch einmal in ihre Mitte.


Abschied (Video)


Sächsische.de 08.01.2020
So verabschiedet sich Dresden von Peter Schreier
Von Bernd Klempnow

Wie tief muss ein Künstler und Humanist wie Peter Schreier die Menschen berührt haben, dass sie ihn derart feiern? Zumindest war am Mittwochnachmittag die Dresdner Kreuzkirche bereits lange vor Beginn des Trauergottesdienstes für den am 1. Weihnachtsfeiertag verstorbenen Startenor bis auf den letzten Platz gefüllt. 

Gut dreitausend Verehrer, Kollegen und Freunde, darunter Prominenz aus Politik und Kultur, aus aller Welt Angereiste, wollten Abschied nehmen. Sie wollten der Familie Schreier Trost spenden und selbst gewinnen. Die Kreuzkirche und der Kreuzchor hatten zu diesem letzten Gruß an den „Verkünder des Evangeliums in den Bach-Passionen und großen Musiker“ eingeladen. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer war dem gefolgt. Die Stadt Dresden, die es versäumt hatte, Schreier die Ehrenbürgerschaft anzutragen, schickte die Vertretung des Oberbürgermeisters, der auf Dienstreise ist. Immerhin: Sogar aus Japan waren Anfragen gekommen, dem Toten mit einem Kranz zu danken.

Mit starkem Geläut begann gegen 16 Uhr der Gottesdienst. Ein Porträt des 84-jährig Verstorbenen und Blumen standen neben dem Sarg vor dem Altar. Der Kreuzchor, dem Schreier von 1945 bis 1954 angehört und mit dem er später noch oft musiziert hatte, sang von der Orgelempore die Schütz-Motette „Selig sind die Toten. Sie ruhen von ihrer Arbeit, und ihre Werke folgen ihnen nach“.

Ja, nur zu gern hätten sicher viele im Kirchenschiff die unverwechselbare, schöne und so klar artikulierende Stimme des Künstlers noch einmal vernommen. Doch im Gegensatz zum Abschieds-Gottesdienst von Schreier-Kollege und -Freund Theo Adam vor genau einem Jahr, bei dem noch einmal große Arien des Bassbaritons erklungen waren, wurde keine Aufnahme des Tenors eingespielt. 

Liturgie und Predigt zitierten die christlichen Worte aus den Partien von Schreier – vereinnahmten ihn einseitig, was seiner Lebensleistung eben auch als Opern-Sänger und Lied-Interpret nicht gerecht wurde. So war es am Kreuzchor, die geliebte Musik des Verehrten in den Raum zu tragen. Und das taten die Kruzianer von der Orgelempore aus und am Schluss am Sarg, bevor sie diesem aus der Kirche vorangingen. 17.22 Uhr läuteten ein letztes Mal die Glocken der Kreuzkirche für jenen Mann, wie es sein Lieblingspfarrer von der Loschwitzer Kirche und Ex-Kruzianer Markus Deckert formulierte, dessen Leben wie wohl kaum ein anderes „zur Identität von Chor, Kirche und Stadt gehört“.

Starke, aber treffende Worte: [....] Sein letztes Dirigat – die geliebte Johannes-Passion von Bach – leistete er 2018, gesundheitlich angeschlagen, aber geistig vital. Berührend wurde der Trauergottesdienst, als Kreuzkantor Roderich Kreile ihn würdigte: Als Jugendlicher habe er Schreier erlebt, doch zur Begegnung kam es erst spät. „Nach meiner Berufung zum Kreuzkantor meldete er sich zu einem Gespräch an; er wollte sich wohl einen Eindruck vom ,Neuen‘ machen. Kurz danach musizierten wir in der Kreuzkirche: erst die h-Moll-Messe, dann die Matthäus-Passion. Diese war ein Urerlebnis für mich, da ich ganz von der Kraft seiner Interpretation ergriffen war und bei den Übergängen zu den Turba-Chören meine Hände von seinen Intentionen geführt wurden.“


Foto: O. Killig
Foto: O. Killig


Was bleibt von Peter Schreier? Jeder wird eigene Momente der Erinnerungen an ein Konzert oder eine Begegnung haben oder eine Lieblingsplatte, die ihm teuer ist. Kantor Kreile fügte noch etwas Bleibendes hinzu: Peter Schreier werde weiterwirken, denn er sei geeignet, Vorbild für junge Menschen zu sein. „Wir leben in einer Zeit, die nicht reich ist an Personen, die in einem solchen Sinne als Leitbilder dienen können. Denn er blieb zutiefst menschlich, seiner Familie, seiner Heimat verbunden. Keine abgehobene Größe; Größe durch Erdung, Gründung im Glauben.“
Und dann wandte sich Kreile an die gut 100 Kruzianer im Raum: „Ihr Lieben, lernt, in Peter Schreier einen, in einem sehr umfassenden Sinne, großen Lehrer zu sehen, der weisen kann, was zu einem gelingenden Leben wichtig ist. Hört nicht auf Kleingeister, folgt großen Zielen, entfaltet die Gaben, die ihr in euch tragt.“


Wochenkurier 05.01.2020
Gedenken an Peter Schreiers Büste in Kreischa
An der Büste Peter Schreiers im Kurpark Kreischa gedachten am  4. Januar die Menschen des verstorbenen Opernsängers Peter Schreier. Der örtliche Kunst- und Kulturverein „Robert Schumann“ hatte vor Beginn des Neujahrskonzertes u.a. mit dem Chor des Kulturvereins im Vereinsheim zu einer kleinen Trauerzeremonie für seinen langjährigen Förderer eingeladen. Auch dort hielten die rund 100 Besucher zunächst in einer Gedenkminute inne und würdigten damit den weltbekannten Star-Tenor und Dirigenten. Am dem vor gut einem Jahr neu gegossenen Bronze-Abbild des Opernsängers, geschaffen von Bildhauer Hans Kazzer, das zunächst zur zehnten Schumanniade im Juni 2018 nahe dem Kreischaer Rathauses vor dem Parkteich aufgestellt worden war, jedoch gut zwei Monate später über Nacht gestohlen wurde, hatte sich der Vereinsvorstand nebst dessen neuen musikalischen Leiter, Kammersänger Olaf Bär aus Dresden, versammelt. [ ….]

Kreischa_04012020
Foto: D. Förster

Die Trauenden legten an der Büste einen Kranz mit Trauerschleife und Blumen nieder. Peter Schreier war seit 1998 Ehrenvorsitzender des Kunst- und Kulturvereins „Robert Schumann“ in Kreischa. Ein Jahr später hatte der Kammersänger und Dirigent die „Schumanniade in Kreischa und Reinhardtsgrimma“, die alle zwei Jahre stattndet, ins Leben gerufen. [….]


Traueranzeige
SZ, 04.01.2020


The Guardian 02.01.2020
Peter Schreier obituary
German tenor renowned for his performances of the St John and St Matthew Passions by Bach and operas by Mozart
By Barry Millington

The German tenor Peter Schreier, who has died aged 84, was not only an incomparable Evangelist in Bach’s Passions and one of the most fastidious and expressive lieder singers of his generation, but also, in the world of opera, a leading Mozartian who made productive forays into less predictable repertoire.

With a cantor (church choirmaster) and organist as his father, and having been reared as a chorister in the Dresden Kreuzchor, he could be said to have the music of Bach flowing in his veins. He was certainly to put his lithe, agile instrument to good use as an eloquent soloist in the passions and cantatas.
His approach was by no means over-reverential, however: in the St John Passion he could bring the Evangelist’s account of Peter’s guilty anger and indignation, followed by his bitter weeping, to strikingly dramatic life at the disciple’s denial of Christ. He also made the whipping of Jesus sound suitably savage, while the description of the crowd’s shouting out for Barabbas rather than Christ could be delivered with a theatrical shriek.
In the field of lieder, his gleaming if slightly reedy tone equipped him for sublimely sentient readings of Schubert and Schumann. He recorded several of the major song cycles more than once, striking gold with his recordings of Schubert’s Die Schöne Müllerin and Schwanengesang with the pianist András Schiff, whose equally penetrating accompaniments brought out the best in him, also creating memorable interpretations of Winterreise with both Sviatoslav Richter and Schiff.
His consummate artistry and expressivity, sometimes compared with that of his colleague, the baritone Dietrich Fischer-Dieskau, in terms of their subjective, “interventionist” approach to lieder, were also evident in two cycles by Schumann, Dichterliebe and the Eichendorff Liederkreis, as well as Hugo Wolf’s Italienisches Liederbuch.
After the death of Fritz Wunderlich in 1966, Schreier was acclaimed by some as the leading Mozart tenor of the day and indeed his Belmonte (Die Entführung aus dem Serail), Idamante (Idomeneo), Ferrando (Così Fan Tutte) and Titus (La Clemenza di Tito), all recorded under Karl Böhm – together with his Tamino (Magic Flute) under Colin Davis – are all readings notable for their strong characterisation and high musical intelligence. Not everyone agreed: some critics complained of the “dryness”, even “sourness” of his voice, though such acerbity was only ever evident when he sang forcefully at higher dynamic levels, and none questioned the technical control or dramatic conviction. In roles such as Tamino, Schreier’s perceived lack of tonal glamour and sweetness made for invidious comparisons with Wunderlich, but for others, the very spareness of his timbre, allied to superb command of phrasing and textual nuance, was more than sufficient compensation. Other operatic roles in which he excelled were Verdi’s Fenton (Falstaff), Rossini’s Almaviva (The Barber of Seville), Massenet’s Des Grieux (Manon), and Strauss’s Leukippos (Daphne) and Dancing Master (Ariadne auf Naxos).

Wagner may not have seemed obvious territory for a singer of such refined sensibilities, but in fact his Loge and Mime in the Ring, and David in Die Meistersinger, all preserved on disc, demonstrated an accomplished range of characterisation. As Mime in Marek Janowski’s recording of Siegfried, for example, he endowed the malevolent dwarf not with a whine but with a plaintive, wheedling quality, capturing his anxiety as much as his craftiness.  [….]
In 1973 he undertook the role of Loge in Karajan’s Das Rheingold at the Salzburg Easter festival. The lively enunciation and scintillating characterisation of his subsequent recording of the latter role for Janowski perfectly convey the demigod’s devious wit, putting Schreier’s performance on a par with Theo Adam’s Wotan and Yvonne Minton’s Fricka. Other significant operatic roles included the title role in.Hans Pfitzner’s Palestrina.

The music of Bach remained central to his career, however. His Evangelist adorned the recordings of the St Matthew Passion by the Mauersberger brothers, Rudolf and Erhard (the former directing most of the choruses, the latter the solos), Karl Richter, Abbado and Karajan. For Helmuth Rilling, among others, he recorded the St John Passion and the Christmas Oratorio. Many Bach cantatas were recorded with the Leipzig Thomanerchor and Gewandhaus Orchestra, conducted by Erhard Mauersberger, others with Karl Richter. He also performed regularly in concert works by Handel, Haydn, Beethoven, Berlioz and Mendelssohn.[….]
When he retired from the operatic stage in 2000 he continued for several years as a concert singer and also as a conductor, sometimes combining the functions. In a 1988 recording of the St John Passion he not only sang both the Evangelist and the solo tenor arias but also directed the whole.
He is survived by his wife, Renate, and by their two sons, Torsten and Ralf.


New York Times 31.12.2019
Peter Schreier, 84, Elegant German Tenor Who Also Conducted, Dies
by Anthony Tommasini

Peter Schreier, a German tenor renowned for his performances in Mozart operas and Bach oratorios, and for the balance of vocal elegance and dramatic urgency he brought to the German art song, died on Dec. 25 in Dresden, Germany. He was 84. [.…]

The pianist Andras Schiff collaborated frequently with Mr. Schreier in recitals and recordings, performing all three Schubert song cycles with him as well as works by Schumann, Mozart, Beethoven and Janacek. He said in an email that Mr.Schreier as a child sang with a boys’ choir in Dresden, giving him a “real foundation of musical tradition” that led to exemplary interpretations of Bach’s passions and cantatas. Mr. Schreier was also a unique lieder singer, Mr. Schiff added, who “could color each verse with different expressions according to the mood of the text, something that very few singers could do.”

Mr. Schreier’s involvement with conducting, which began around 1970, was a natural extension of his approach to singing, especially his feeling for “instrumental singing,” as he described it in a 1997 interview with Bruce Duffie for WNIB, a former classical music radio station in Chicago. “Bach treats the voice like a musical instrument,” Mr. Schreier said. “Instrumental singing means using the voice with a little bit of vibrato, like an oboe or a flute.” Bach, he added, is “very precise in how to phrase and articulate” the vocal parts. His goal of inculcating that articulate, verbally alert approach to singing inspired Mr. Schreier to conduct these scores. A 1985 New York Times review of his recording, as a conductor, of the “St. Matthew Passion” praised Mr. Schreier for respecting the work’s “natural equilibrium” by allowing dance rhythms to abound and giving full range to bursts of “theatrical ferocity.” […]

Peter Schreier, NY 2011
Peter Schreier, New York (Messiah), 2011

In a 1989 interview with The Times, Mr. Schreier genially defended his practice of singing the Evangelist roles in Bach passions while also conducting. As the Evangelist he would face the audience and deliver the sung narrative, which is minimally accompanied, then turn around to lead the choral and orchestral music.  In this way, he said, one “can truly be the spiritus rector” of the entire performance, invoking the lofty Latin phrase for guiding spirit, the role assumed by the no-nonsense choir directors he watched during his boyhood years in Dresden.


SWR2.de 29.12.2019
[....] Wir verneigen uns vor dem großen Künstler und wiederholen eine Sendung (nur in Deutschland zu sehen) aus dem Jahr 2017. Hildburg Heider besuchte Peter Schreier in seinem Landhaus in Dresden, wo er am liebsten kochte, Tomaten züchtete und eine Orchideen-Sorte, die seinen Namen trägt.


Die Welt
28.12.2019
Schlichtheit, dein Name war Schreier
Von Manuel Brug

Doch, mit diesem Namen, gerade, konnte man Karriere machen. Als feiner Tenorstilist von Mozart bis Wagner. Als musterg ültiger Liedinterpret. Als überragender Evangelist in den Bach-Passionen. Schlichtheit, dein Name war Schreier. Peter Schreier. Und der hatte einen guten, ja sublimen Klang – über 50 Jahre lang, von den ersten Auftritten im Dresdner Kreuzchor unter dem legendären Rudolf Mauersberger bis zu seinem offiziellen Bühnenabschied 2000 an der Berliner Lindenoper, deren Ensemblemitglied er 37 Jahre lang war.

Danach ließ er es freilich, ganz nach seiner bescheidenen, aber nachdrücklichen Art, bedächtig ausklingen; mit letzten, vokal hellwachen, wenn auch nicht mehr jugendlich üppigen „Winterreisen“ und Oratorien-Auftritten. Und ganz zu schweigen von dem hochmögenden Dirigenten Peter Schreier, der stets in der Repertoirenähe seines Sängermetiers durchaus auch Nachhaltiges zu dieser Profession beizusteuern wusste. Der führte weiter den Stab, so lange er Lust hatte und es ihm seine Gesundheit erlaubte. Zum 80. Geburtstag meldete er sich noch dann einmal ausführlich zu Interview-Wort. Und es wurde dabei deutlich: Da war einer, als Mensch wie als Künstler, mit sich total im Reinen. Ein wirklich Großer, dabei stets nüchtern, konzentriert, ganz der Singsache ergeben. [....]

Peter Schreier, das war Gnade bzw. Ungnade der Geburt, wurde als Sachse trotzdem ein gesamtdeutscher Sänger. Der einzige neben dem ebenfalls aus Dresden stammenden, neun Jahre älteren Bassisten Theo Adam, der Anfang des Jahres gestorben ist. Aber Peter Schreier war noch mehr: Er hat die internationalste und reichste Karriere eines deutschen Tenors seit dem jähen Tod Fritz Wunderlichs 1966 und bis zum Auftauchen Jonas Kaufmanns Anfang der Zweitausenderjahre gemacht. Ein sattelfester Universalist, der freilich sehr genau die Grenzen seiner Stimme wie seines silbig knäbischen Timbres kannte und sie, das lag in seinem abwägenden Naturell, nie überschritt.
Höchstens wenn er in Italienisch sang, dann erfuhr man immer, wo er herkam. Denn ob Peter Schreier in Mozarts „Così fan tutte“ Ferrandos „Un aura amorosa“ anstimmte oder in „Don Giovanni“ Ottavios „Il mio tesoro“ – man hörte stets ein sanft säuselndes Sächsisch durch, ein dezentes Näseln: keinen Latin Lover, sondern einen gewesenen Kruzianer eben. Doch das ist eigentlich schon alles, was man an Kritik an diesem grandiosen, ehrlichen und ernsthaften Sänger üben kann.
Kein Rampentiger, ein scheu schnuppernder Feingeist. Andere hätten sich ob solch eher zurückhaltenden Bühnentemperaments von der Oper ferngehalten. Peter Schreier fand es eine Aufgabe, an der er wachsen konnte. Und ob er Ende der Sechzigerjahre an seinem Stammhaus, der Berliner Lindenoper, in Ruth Berghaus’ noch heute gespielter „Barbier von Sevilla“-Inszenierung als Graf Almavia dabei war, als von Karl Böhm präferierter Mozart-Interpret edel besetzte Aufführungen in Wien, Salzburg oder München veredelte, oder als eine seiner letzten Bühnenrollen in Harry Kupfers Regie einen abgefeimt wuseligen „Rheingold“-Loge (in der Maske Richard Wagners) in sein Repertoire aufnahm, es gelang ihm glänzend.

Aufgewachsen in einem musikalischen Haushalt landete der Knabe zwangsläufig im Dresdner Kreuzchor. Die Kirchenmusik, vor allem Bach, begleitet Schreier sein ganzes Sängerleben lang an erster Stelle; sein erstmals mit 18 Jahren ausgeloteter Evangelist in den Passionen ist nicht zu übertreffen: Inbrunst und Eleganz der Linie, neutrale Verkündung der Glaubensbotschaft, geschärft für jede spirituelle Wortbedeutung, lyrische Expressivität ohne oberlehrerhaften Impuls, ergeben eine schlicht ideale Mischung. Ganz besonders auch im Liedgesang. Ob in Beethovens „Adelaide“, Schumanns „Dichterliebe“ oder einfach nur mit „In einem kühlen Grunde“, dieses Singen war ganz bei sich und authentisch.
Immens waren sein Repertoire, sein Wissensdurst, seine interpretatorische Vielfalt. Peter Schreier war ein global bis an der New Yorker Metropolitan Opera und in Japan agierender, aber auch ein sehr deutscher Sänger. Das sei in einer immer gleichmacherisch-globaleren Zeit unbedingt als Tugend verstanden. Als einer der letzten verkörperte er jenes positive Deutschtum in der Musik, zu dem in einer weniger von den Wunden der Geschichte geprägten Zeit die Welt sehnsuchtsvoll blickte.
Dieser zutiefst innerliche, ganz auf seine Kunst konzentrierte Moment hat ihn auch so unbeschadet von politischer Vereinnahmung als einem der prominentesten Kunstschaffenden und international lukrativsten Devisenbringern der DDR Kariere machen lassen, hüben wie drüben. Er kümmerte sich einfach nicht um Politik, das lag seinem Naturell fern. Aber er war auch so uneitel, dass er aus seinem Starstatus keinen Vorteil schlug.[....]

Irgendwie passt es auch nun: Peter Schreier, dessen definitive, selbstredend gesamtdeutsch veröffentlichte Weihnachtsplatte von 1974 (freilich mit den Thomanern) remastered vor einem Jahr wiederaufgelegt wurde, vollendete sein in letzten Jahren von schwerer Diabetes beeinträchtigtes irdisches Leben am ersten Weihnachtsfeiertag. Er wurde 84 Jahre alt. Ab jetzt werden himmlische Heere ihm Ehre jauchzen.


NRC.nl 27.12.2019
Intelligent en karaktervol zanger van het Duitse lied en Bachs Passionen.
Peter Schreier 1935-2019.
De Duitse tenor Peter Schreier excelleerde vooral als intelligent liedzanger en bewogen evangelist in de passies van Bach.

Karaktervol en intelligent, lyrisch, wendbaar en kernachtig: de Duitse opera- en liedzanger Peter Schreier was het allemaal en die combinatie van eigenschappen maakte hem tot de belangrijkste Duitse concerttenor van zijn generatie. [….]

Op zijn twintigste zong hij voor het eerst de evangelist in Bachs Matthäus-Passion: een rol die hij lang met veel succes zou herhalen. Schreier zong vertellend, dramatisch, met veel opwindende retorische versnellingen zoals op drie plaatopnamen valt terug te beluisteren. Ook aan opnames van cantates van Bach droeg hij pareltjes bij, zoals de aria Ich will leiden, ich will schweigen uit BWV 87.
Schreier was breed actief. In 1961 trad hij toe tot het ensemble van de Staatsoper in Berlijn, waar hij de kans greep een breed spectrum aan rollen (van Mozart en Wagner tot Rossini en Frans en Russisch repertoire) rustig en grondig te mogen instuderen.
Schreier was een van de weinige zangers uit de DDR die al kort na de bouw van de Muur toch in het Westen mochten optreden, ook internationaal. En toch is het begrijpelijk dat zijn faam in de Duitstalige wereld het grootst was. Schreier bezat geen zoetgevooisd tenorgeluid à la Fritz Wunderlich, maar excelleerde veeleer in tekstuele expressiviteit en vocale kernachtigheid. Een rol als die van Loge in Wagners Das Rheingold was hem op het lijf geschreven. Als liedzanger realiseerde Schreier talrijke geweldige opnamen. Prachtig en zeldzaam evocatief is bijvoorbeeld zijn opname van Schumanns Dichterliebe; vol kwetsbaarheid, maar ook excellerend door de messcherpe dictie en de met fijn penseel geschilderde tekstinterpretaties: soms effectief in één zin verschietend van weemoed naar woede.
Ook als dirigent was hij in de jaren zeventig actief, wat leidde tot gastoptredens bij belangrijke orkesten als de Wiener Philharmoniker en de New York Philharmonic als ook het Residentie Orkest. [….]


Operawire 27.12.2019
Obtuary: Tenor Peter Schreier Dies
Opera singer and conductor Peter Schreier, who won fame at the Salzburg festival and Milan’s Teatro alla Scala, has died in Dresden, Germany.

The tenor, who was 84, died on Wednesday on Dec. 25, 2019. Schreier was born July 29, 1935 in Meissen, Saxony, Germany when he spent his first years in the small village of Gauernitz, where his father was a teacher, cantor and organist. At the age of 10, Schreier entered the boarding school of the famous Dresden boys’ choir, the Dresdner Kreuzchor where conductor Rudolf Mauersberger recognized Schreier’s talent and let him sing many solo parts.

At 16, Schreier became a tenor and started working privately before before going to the Dresden Academy of Music. He would make his professional debut in August 1959 in the role of the First Prisoner in “Fidelio” and would later garner success as Belmonte in “Die Entführung aus dem Serail” and Tamino in “The Magic Flute.”

His big break would come in 1963 when he made his debut at the the Berlin State Opera at Unter den Linden and became an annual guest at the Wiener Staatsoper in 1966. Other major debuts would come including the Bayreuth Festival as well as the Salzburg Festival and the Teatro alla Scala.In June 2000, Schreier left the opera stage with his last role as Tamino in “The Magic Flute.” In 2005, he ended his singing career and remained an active conductor and mentor.

He went on to make numerous recordings from works by Bach, Schubert, Berlioz, Wagner, Hugo Wolf, Brahms, and Mozart. He also won awards including the Kammersänger and Honorary membership of the Musikverein Wien.
- with video -


Schubertiade.at
27.12.2019
Zum Gedenken an Peter Schreier
Peter Schreier war durch drei Jahrzehnte „der“ Tenor der Schubertiade: Bei der ersten Schubertiade im Mai 1976 war er der Interpret des Liederzyklus „Die schöne Müllerin“. Seiner maßstäblichen Interpretation dieses Schubert-Zyklus sollten in unserem Rahmen noch viele weitere folgen – zuletzt 2005 in Schwarzenberg, wenige Wochen vor seinem 70. Geburtstag. Seine Vorbehalte gegenüber einer Interpretation der „Winterreise“ konnte ich  zerstreuen, nachdem mir Sviatoslav Richter zugesagt hatte, Peter Schreier bei diesem Zyklus zu begleiten. (Nachdem Richter kurz nach dieser Zusage seinen Auftrittskalender auf sehr kurzfristige Planung umgestellt hatte, kam es dann nur in Dresden, Moskau und Prag zu „Winterreisen“ in dieser Besetzung – aber leider nicht bei der Schubertiade, wo die Idee entstanden war.) Eine Ablehnung von Peter Schreier hatte ich mir bei der Frage erwartet, ob er die Partie des Florestan in Nikolaus Harnoncourts erster Aufführung von Beethovens „Fidelio“ – konzertant bei der Schubertiade 1986 – zu singen bereit wäre. Vom anderen Ende der Telefonleitung war aber nur ein schlichtes „Ja“ zu hören. Mit Nikolaus Harnoncourt folgten dann auch noch dessen erste „Missa solemnis“ von Beethoven und Opernarien von Schubert. Als Dirigent hat Peter Schreier sich unter anderem auch Singspielen von Schubert gewidmet und Beethovens Klavierkonzerte Nr. 4 und 5 mit András Schiff aufgeführt, mit dem er bei der Schubertiade auch eine intensive Zusammenarbeit bei Liederabenden begonnen hat.
 
Am 8. Dezember 2005  hat Peter Schreier seinen allerletzten Liederabend, der gleichzeitig sein 75. Auftritt bei der Schubertiade war, im Markus-Sittikus-Saal in Hohenems gesungen. Wenige Tage danach folgte noch eine Aufführung von Bachs „Weihnachtsoratorium“ in Prag – und danach war diese Jahrhundertstimme nicht mehr zu hören. Zur Schubertiade kam er dann weiter als Dirigent sowie zu Meisterkursen und Gesprächsmatineen.
 
Wir trauern um eine der langjährigen, tragenden „Säulen“ der Schubertiade und sind in Gedanken bei seiner Familie. Peter Schreier hat immer die Komponisten in den Mittelpunkt seiner Arbeit und nie sich selbst in den Vordergrund gestellt. Seine Lieblingskomponisten Bach, Mozart und Schubert können sich nun in einer anderen Welt an ihrem, von allen körperlichen Mühsalen der letzten Jahre befreiten, singulären Interpreten erfreuen. 
Gerd Nachbauer


Sächsche.de 27.12.2019
Wie Thielemann lernte, Peter Schreier zu verehren
Auch für den Chefdirigenten der Staatskapelle war der Sänger prägend. Im Gespräch erinnert sich Christian Thielemann an den verstorbenen Künstler.

Herr Thielemann, ernnern Sie sich noch an Ihre erste Begegnung mit Peter Schreier?
Aber ja. Wie könnte ich das vergessen. Ich war 13 oder 14 Jahre alt und habe ihn regelmäßig bei Liederabenden in Berlin erlebt. Ihn und Dietrich Fischer-Dieskau, diese beiden wunderbaren Stimmen, das war schon etwas sehr Besonderes. Und ich habe mich wirklich durch Peter Schreier zum ersten Mal intensiver mit der Tradition des Liedes beschäftigt. Das hat mich nachhaltig geprägt, ich bin ihm dafür sehr dankbar.[...]

Wann haben Sie ihn zum ersten Mal persönlich getroffen?
Als wir zu meiner Nürnberger Zeit zusammen einen Palestrina gemacht haben, Peter Schreier war dort als Gast. Es war eine derart angenehme Zusammenarbeit, dass ich mich danach mit ihm in Dresden getroffen und ihm gesagt habe, wie wunderbar ich ihn finde. Das war mir ein Bedürfnis. Wissen Sie, viele Sänger machen auf der Bühne einen großartigen Eindruck, abseits der Bühne aber sieht das oft anders aus. Peter Schreier war auf der Bühne als Künstler ebenso wie privat als Mensch gleichermaßen großartig. Er war einfach ehrlich und sehr sympathisch. Das einzige, was ich immer ein bisschen schräg fand: Wie kann jemand mit einer solchen Stimme bloß Schreier heißen ...

Obwohl Peter Schreier die Möglichkeit gehabt hätte, als Kosmopolit auf der ganzen Welt zu leben, ist er seiner Heimat Dresden immer treu geblieben.
Warum sehen Sie einen Widerspruch zwischen Kosmopolitentum und Heimatmensch? Für mich gibt es da gar keinen. Peter Schreier ist dafür das beste Beispiel. Er war Weltenbummler und ist dabei ein Heimatmensch geblieben. Und ich finde, darin ist er ein Vorbild, auch für die jüngere Generation heutzutage. Man kann ohne Probleme beides sein.

Seine größten Erfolge hat er mit Mozart und Bach gefeiert. Welchen Peter Schreier haben Sie am meisten gemocht?
Er war als Mozart-Tenor eine Größe, als Bach-Evangelist unvergleichlich, aber was der Allgemeinheit vielleicht etwas weniger bekannt ist: Peter Schreier war auch ein fantastischer Schumann-Interpret. Also: Hören Sie ihn mit Schumann!


MDR Kultur
27.12.2019
Olaf Bär im Interview über Peter Schreier: bitte klicken
MDR Sachsen 08.01.2020
René Pape erinnert sich an Peter Schreier: bitte klicken


Sächsische.de 27.12.2019
[....] Man werde Schreier vermissen, teilte auch das internationale Musik-Label Decca Classics mit. Der Sänger sei ein "herausragender Tenor" gewesen, dessen Repertoire von Bach bis Strawinsky gereicht habe. Schreier war am Mittwoch im Alter von 84 Jahren in Dresden gestorben.
Auch Wolfgang Schaller, bis zum Ende der vergangenen Spielzeit Intendant der Dresdner Staatsoperette, äußerte sich betroffen. "Während meines Studiums war ich fast jeden Abend in einem der großartigen Ostberliner Theater. Mit Peter Schreier gab es Sternstunden in der Lindenoper: „Barbier von Sevilla“ in der legendären Berghaus-Inszenierung, die heute dort noch im Repertoire steht, oder „Così fan tutte“ im Apollosaal, oft gemeinsam mit Theo Adam und unter Otmar Suitner." Beglückend seien für Schaller auch die "leider wenigen Auftritte" während dessen Zeit an der Semperoper gewesen. "Mit großer Dankbarkeit erinnere ich mich außer diesen künstlerischen Erlebnissen an Peter Schreiers persönlichen kulturpolitischen Einsatz für das Ensemble der Staatsoperette und den lange Jahre umkämpften Neubau", so Schaller. "Seine Wertschätzung hat uns damals mehrfach Kraft und Mut gegeben. Ich bin voller Dankbarkeit, diesen wunderbaren Menschen und Künstler erlebt zu haben."  

Andreas Schüller, Chefdirigent Staatsoperette Dresden, erinnert sich: "Im Winter 89/90, nur wenige Wochen nach dem Mauerfall, war es mir,  dem 15 -jährigen gebürtigen West-Berliner, erstmals möglich, in die Berliner Staatsoper unter den Linden zu gehen. Im mittlerweile zur Legende gewordenen "Barbier von Sevilla" in der Ruth-Berghaus-Inszenierung erlebte ich dort Peter Schreier als Almavia und Roman Trekel als Figaro." Beide seien sängerisch überragend, lustig und über alle Schwierigkeiten des Werkes erhaben gewesen, so Schüller. "Der Zuschauerraum war schlecht besucht - im Winter 89/90 hatte man wohl anderes im Sinn, als in die Oper zu gehen -, aber Schreier und Trekel schien das in Ihrer Spiel- und Sangeslust überhaupt nicht zu bremsen. Enthusiastischer Applaus war ihnen sicher. Dieser erste Staatsopernbesuch mit Peter Schreier hat sich fest in meine Erinnerung eingebrannt."


Bild-Zeitung 26.12.2019
Star-Tenor Peter Schreier gestorben
von: Jürgen Helfricht

{....} Der deutsche Star-Tenor, Dirigent und Kammersänger Prof. Peter Schreier († 84, über 200 Platten und CD`s) verstarb am Nachmittag des 25. Dezember im Dresdner Uni-Klinikum. Einst feierte ihn die Welt als den besten Evangelisten und Tamino aller Zeiten, als den führenden lyrischen Tenor, Schubert- und Schumanninterpreten.{....}

Gemahlin Renate (84) Donnerstag zu BILD: „Heiligabend haben wir noch im Landhaus in Lungkwitz zusammen gefeiert. Es gab Käse-Fondue. Mein Mann ist dann in sein Schlafzimmer gegangen. Mitternacht habe ich nach ihm geschaut. Da schlief er friedlich. Am Vormittag stürzte er dann im Haus.“ Der Rettungswagen brachte ihn ins Uni-Klinikum. Hier verschlechterte sich der Zustand des jahrzehntelangen Diabetikers, dessen Herz vor Jahren durch Bypass-OP verstärkt wurde und der seit einiger Zeit Dialyse-Patient war, rapide. „Reanimations-Versuche blieben vergeblich. Sein Herz war schon zu schwach. Ich hielt in den Todesstunden seine Hand“, so Witwe Renate.
Bruder Bernhard Schreier (81): „Im November war Peter in der Bavaria-Klinik Kreischa zur Kur. Sie tat ihm sehr gut. Er hatte nach vorherigem extremen Gewichtsverlust sogar etwas zugenommen.“ [....]


BR-klassik.de 26.12.2019
Zum Tod des Tenors Peter Schreier, Evangelist und Mozart-Tenor
Eine Würdigung von Matthias Keller

Vor allem die Musik Johann Sebastian Bachs war künstlerischer Dreh- und Angelpunkt in Peter Schreiers Karriere. Neben seinen Erfolgen auf der Opernbühne war der dirigierende Evangelist in Bachs Passionen und Kantaten die Rolle seines Lebens: "Bach hat mich im Unterbewusstsein total festgelegt und geprägt. Und mein Wunsch war es nach dem Stimmwechsel, als ich mich entschlossen hatte, Sänger zu werden, mich fast ausschließlich auf diese Musik zu konzentrieren." [….]
1966 debütierte Schreier als Junger Seemann in Wagners "Tristan und Isolde" bei den Bayreuther Festspielen, sang 1967 erstmals bei den Salzburger Festspielen: ein Engagement, das über 25 Jahre andauern sollte. Daneben folgten Verpflichtungen an die Mailänder Scala, die New Yorker Metropolitan Opera und das Teatro Colón in Buenos Aires. Neben seiner großen Domäne als Mozart-Tenor waren es aber immer wieder Johann Sebastian Bachs Kantaten und Oratorien, in denen er vor allem in der Rolle des Evangelisten Weltruhm erlangte. Sein geniales Markenzeichen war dabei schließlich die Koppelung der Solistenpartie mit der des Dirigenten – ganz so, wie Bach selbst inmitten seiner Musiker als Primus inter Pares diese Musik zur Aufführung brachte.

Doch neben dem Oratorium, dem Lied und der Oper feierte Peter Schreier auch im Operettenfach seine Auftritte, unter anderem als Eisenstein in der Strauß’schen "Fledermaus". Und privat hegte er ein ausgesprochenes Faible für die Jazzmusik, deren improvisatorischer Geist für ihn nicht allzu weit entfernt war von demjenigen Johann Sebastian Bachs. Nicht zu vergessen natürlich: die Kammermusik.
So bedauerte er, dass er nicht auch ein Streichinstrument erlernt habe – die Art des Musizierens in der Kammermusik begeisterte ihn sehr: das Aufeinander-Hören, das Sich-Zuspielen, das gemeinsame Musizieren.


FAZ 26.12.2019
Eine Stimme wie schimmerndes Silber
Zum Tod von Peter Schreier
von Jürgen Kesting

In Bachs Kantaten und Passionen war er unvergleichlich: Zum Tod des Tenors Peter Schreier, der sensible Männlichkeit mit Spiritualität verband.
[….] Er war der Sänger der leisen Töne, des innigen Ausdrucks, der zarten lyrischen Emphase. Dies entsprach seiner vokalen Physiognomie und den klanglichen Eigenschaften und Eigenarten seiner Stimme. Timbrale Qualitäten sind, gerade bei Tenören, eine Frage, des Geschmacks. Peter Schreier war, anders als etwa Fritz Wunderlich, kein singendes Erotikon. Wenn aber eine Stimme wie die seine nicht unter die Haut geht, kann es auch an der Haut liegen. [….] Dem Achtzehnjährigen wurde das Amt des Chorpräfekten übertragen. Mit zwanzig sang er zum ersten Mal den Evangelisten in Bachs-Matthäus-Passion. Als Mitglied des Dresdner Opernstudios sammelte er mit Partien wie Paolino („Die heimliche Ehe“) und Belmonte seine ersten Bühnenerfahrungen. 1959 begann er im Ensemble der Staatsoper als erster Gefangener in „Fidelio“. An die Berliner Staatsoper, die nach einem ersten Vorsingen wenig Interesse gezeigt hatte, kam er 1961. Als nach dem Bau der Mauer die im Westteil Berlins wohnenden Ensemble-Mitglieder ausgesperrt waren, verbesserten sich die Chancen des DDR-Nachwuchses. Die Staatsoper bot ihm, wie er sich dankbar erinnerte, die Möglichkeit, seine Partien, eingebunden in ein festes Ensemble, langsam und gründlich zu studieren. Neben den Rollen von Mozart waren es auch Rossinis Almaviva (mehr als hundertfünfzig Aufführungen in einer wundervollen Inszenierung von Ruth Berghaus), Fenton von Lortzing und Verdi, Des Grieux, der Gottesnarren in „Boris Godunow“, Leukippos in „Daphne“, David, Mime und Lensky.

Schon Mitte der sechziger Jahre gehörte er zu den Privilegierten, die im Westen gastieren durften. 1965 sang er im Wiener Musikvereinssaal unter Karl Richter in Bachs Messe in h-Moll. Durch den Tod von Fritz Wunderlich im September 1966 wurde er in eine nicht zu heikle Rolle gedrängt: die des Nachfolgers von Fritz Wunderlich, der er weder vom Temperament noch von Stimme und Timbre sein konnte, insbesondere nicht in der Partie des Tamino, die ihm 1967 aufgenötigt wurde.Der Ausweg, den er, der Tenor-Lyriker, gerade in den italienischen Mozart-Partien, suchte, lag, wie Karl Schumann notierte, „in der Flucht nach vorne, in die Dramatik, die scharfe Artikulation, in das Espressivo des Trotzes“. Zu hören ist dies in einigen Mozart-Partien wie Ferrando in „Così fan tutte“ und Tito. Gerade [….] Schreiers Stimme hatte den lichten Schimmer von Silber, gerade durch die Hellfärbung der im Vokaldreieck hoch liegenden Vokale, besonders des „i“. [….] Auch wenn er beispielsweise den Belmonte nicht mit dem élan vital von Fritz Wunderlich singen konnte, so doch mit besser gebundenen Koloraturen in der Arie „Ich baue ganz auf deine Stärke“. Ebenso bemerkenswert, dass er beim ,Slalom‘ durch die Sechzehntel von Idomeneos D-Dur-Allegro „Fuor del mar“ nicht ,aneckte’.
Wie Karl Böhm hatte auch Herbert von Karajan ein Faible für den Dresdner Tenor. Nach einer Aufführung der „Matthäus“-Passion bot er ihm den Loge im „Rheingold“ an. Er sang ihn erst in Berlin und danach unter Karajan in Salzburg (1973) wie in einer „Ring“-Aufnahme unter Marek Janowski. Dabei hielt er sich an die von Wagner mit Blick auf Mime formulierte Maxime, er müsse mit falscher Stimme singen, aber die Stimme dürfe nicht falsch sein. [….]

Nein, er besaß nicht die Stimme für den Max im „Freischütz“, den er unter Carlos Kleiber aufgenommen hat. Nein, er besaß auch nicht (mehr) die Stimme für den jungen König Oedipus in der Aufnahme von Strawinskys Oper (unter Seiji Ozawa), jedenfalls nicht die erwartete Stimme; aber nur wenige seiner Kollegen haben die Halbtonbewegungen in der Erzählung von Kreons Orakelbefragung so genau und deshalb auch so melodiös gesungen. Für Palestrina, den er zunächst in München verkörperte und dann gegen den Widerstand des ZK auch an der Berliner Staatsoper durchsetzte, fand er den Ton einer herben und doch empfindsamen Männlichkeit.
In den Passionen und Kantaten von Bach war er unvergleichlich. In Phrasen des Evangelisten wie „von der sechsten Stunde an ward eine Finsternis über das ganze Land“ oder „und weinete bitterlich“ gelang ihm eine Transformation ins Spirituelle. In drei Aufnahmen hat er den Evangelisten gesungen, die dritte hat er auch dirigiert. Schon in jungen Jahren war er ein versierter Dirigent, der von Karajan sogar ans Pult der Berliner Philharmoniker gebeten wurde. [….]


SG Dynamo Dresden (Twitter, 26.12.2019):
Er war als Sänger & Dirigent auf den großen Bühnen dieser Welt zuhause. Seit seiner Kindheit fieberte er leidenschaftlich mit der SGD mit. [....] #RIP #sgd1953


Sächsische.de 26.12.2019
Peter Schreier – ein persönlicher Abschied
Er war der führende lyrische Tenor des 20. Jahrhunderts. SZ-Klassikredakteur Bernd Klempnow kannte ihn auch von einer anderen, persönlichen Seite.

Natürlich Peter Schreier: Keiner intoniert „O du fröhliche, O du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit!“ mit so samtiger, schöner Stimme wie der Dresdner Tenor. So war es keine Frage, welche CD in den vergangenen Tagen immer wieder bei uns daheim – wie wohl in vielen Haushalten – gespielt wurde: „Welt ging verloren, Christ ward geboren. Freue, freue dich, o Christenheit“, stimmt der Knabenchor ein. Der erhabene Gesang erfreute die ganze Familie auch Jahrzehnte nach Entstehen der Weihnachtslieder-Platte von 1975, und doch war beim Anhören zum diesjährigen Fest so ein Gedanke dabei: Wie geht es Peter Schreier?
Vor ein paar Wochen noch hatte er mich als Klassikredakteur der Sächsischen Zeitung begrüßt. Schon damals ging es ihm körperlich schlecht. Aber der Geist war hellwach. „Kommen Sie zu mir ins Gartenzimmer“, rief er und strahlte wie immer: „Schön, dass Sie da sind. Was gibt es Neues? Möchten Sie Kaffee? Bei mir ist es, Sie sehen es ja, nicht zum Besten bestellt. Also, erzählen Sie!“
Weitere solcher Begegnungen, bei denen wir uns seit den 90er-Jahren über seine Rollen, seine Musik, seine Hobbys und Alltagsdinge für die SZ und privat unterhalten haben, wird es nicht geben. Peter Schreier, der gebürtige Meißner und einer der wichtigsten Sänger des 20. Jahrhunderts, ist am 1. Weihnachtsfeiertag 84-jährig in Dresden gestorben, wie am Donnerstag bekannt wurde. Die Familie bat um Zurückhaltung und Wahrung der Privatsphäre.


Tagesschau (TV) 26.12.2019
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Sputnik Deutschland
24.08.2019
Peter Schreier - Weltstar aus der DDR
Peter Schreier war neben Theo Adam der größte Klassik-Star der DDR – ein Jahrhunderttalent. Der Sachse sang schon seit den 1960er Jahren auf den großen Bühnen von Salzburg bis Mailand. Wie war das Leben zwischen großer Welt und kleiner DDR? Wie hat der Sänger die Wende erlebt und wie geht es ihm heute? Peter Schreier im exklusiven Sputnik-Interview.

Herr Schreier, Sie waren einer der wenigen Weltstars der DDR. Abgesehen von Ihrem Talent, wie war das Niveau der Ausbildung in der DDR?
Also, da kann ich nur beste Zeugnisse ausstellen. Die musikalische Ausbildung war vorbildlich. Und das ist auch ein Grund, wieso ich hiergeblieben bin, weshalb ich hier meine Zelte aufgeschlagen habe – abgesehen davon, dass ich ein sehr heimatverbundener Mensch bin und war.

Wie war es, in der DDR als Künstler zu arbeiten?
Ich hatte vielleicht den Vorteil, in der vordersten Reihe zu stehen. Dann wurde das auch aus gewissen Propagandagründen sehr gefördert. Ich hatte künstlerisch alle Möglichkeiten, mich zu profilieren. Es wurde mir auch jenseits der ideologischen Grenzen die Möglichkeit eingeräumt, eine internationale Karriere aufzubauen.

Sie haben international mit allen großen Künstlern zusammengearbeitet. Gab es aber auch daheim in der DDR gute Leute, mit denen man zusammenarbeiten konnte?
Ja, das muss man auch sagen. Das war vielleicht auch der Fehler der DDR-Oberen, dass man gewisse Kreise nicht gefördert oder ihnen Steine in den Weg gelegt hat. Wir hatten genügend künstlerisches Potential, aber es wurde nicht ausgenutzt, weil man immer bloß Angst hatte, dass die Leute die Republik verlassen.

Wie war es für Sie, einerseits durch die große Welt zu tingeln und dann wieder in die kleine DDR zurückzukehren, in der Ihre Mitbürger nicht in den Westen reisen durften?
Ja, das war das große Problem. Wenn ich von einer großen Reise, ob nun aus New York oder aus Sydney, zurückkam, dann musste ich mich immer anhalten, nicht zu viel zu erzählen, um meine Freunde und Bekannten nicht zu enttäuschen, und damit kein Neid aufkommt.

Sind Sie überhaupt noch ins sozialistische Ausland gefahren? Wie war das mit den Bruderländern? Wie war das Verhältnis zur Sowjetunion?
Das war eigentlich ganz gut geregelt. Ich bin verpflichtet worden, so alle zwei Jahre irgendeine Reise auch in die sozialistischen Länder zu machen. Vor allem eben in die Sowjetunion, aber auch nach Ungarn, nach Polen. Auf jeden Fall habe ich das als eine selbstverständliche Pflicht angesehen. Da habe ich auch mit großer Freude Liederabende in der Sowjetunion gegeben, die für mich eine große Entdeckung waren. Ich weiß zum Beispiel noch genau: In Ufa am Ural habe ich einen Liederabend in einer Schule gegeben, und da hatten fast alle Zuhörer die Noten in der Hand. Also, solche Dinge habe ich hier nie erlebt. Das war schon eine sehr lohnende Aufgabe, denn dort war wirklich das Interesse da. Und wenn ich heute lese, dass die Frau Netrebko aus Krasnodar kommt und dort in einem Mädchen-Chor angefangen hat, dann ist das das beste Beispiel dafür, wie Kultur dort gefördert wurde, auch ohne Riesen-Gage. Da spielte das Materielle keine so große Rolle, wie es heute ist.

Ihre Schallplatte „Peter Schreier singt Weihnachtslieder“ war mit 1,4 Millionen verkauften Exemplaren die mit Abstand erfolgreichste Platte der DDR-Geschichte. Im Westen wäre man damit Millionär geworden. Wie war das in der DDR mit der Vergütung?
Ich habe zwar auch Tantiemen bekommen, aber natürlich nicht so viele. Es hat für mich gelangt. Trotzdem stand das Finanzielle nie so groß im Mittelpunkt wie heute. Ich meine, ich hatte ja auch große Auflagen bei Phillips in Holland oder bei EMI in London, und diese Verträge waren unvergleichlich materiell lohnender als in der DDR. Aber das spielte für mich keine große Rolle, weil ich mich in der DDR versorgt fühlte und nicht irgendwelchen Geldern hinterherrannte.

Mussten Sie auch einen Teil Ihrer West-Gagen an den Staat abführen? War das eine Devisen-Einnahmequelle?
Ich sage immer, das war wie eine Art Steuer. Ich meine, ich hätte ja auch im westlichen Staat wesentlich mehr Steuern zahlen müssen als in der DDR. Und als solches habe ich diese Abgabe empfunden. Allerdings hat die Künstleragentur längst nicht so viel für meine Karriere getan, sondern ich selbst habe mir die Karriere aufgebaut. Einfach auch, weil ich besser beurteilen konnte, was man machen muss und was notwendig ist. Die Künstleragentur bestand ja aus Parteifunktionären. Die hatten keine Ahnung von Künstler-Management.Es war zum Beispiel einmal so, dass die Künstleragentur oder das Ministerium für Kultur von der New Yorker Met (Metropolitan Opera – Anm. d. Red.) verlangte, das auf dem Plakat mein Name angekündigt wird als „Künstler der DDR“. Da hat der Intendant Bing (Rudolf Bing – Anm. d. Red.) in New York bloß gelacht und gesagt: „Das machen wir mit keinem Künstler. Bei uns stehen nur die Namen da, und die Leute wissen, wo die Leute herkommen.“ Das war ein Schuss in den Ofen. Das waren so Dinge, die wussten die Leute einfach nicht.


Peter Schreier Abu Hassan

Szenenbild aus der Oper mit „Abu Hassan“ mit Peter Schreier (Staatsoper Dresden) als Abu Hassan und Gläubigern (Chor des Sachsenwerkes Niedersedlitz) im Arbeitertheater Dresden-Niedersedlitz


Sie sprechen immer von der Künstleragentur, aber sie hatten doch schon den ganz direkten Draht nach ganz oben, oder?

Nein, nein. Honecker hat natürlich meistens verlangt, dass bei irgendwelchen Staatsempfängen oder Gästen aus dem Ausland die ersten Künstler des Landes in einem Gala-Konzert auftreten. Aber das war übrigens für Hermann Prey (bekannter westdeutscher Sänger der 1960er und 1970er Jahre – Anm. d. Red.) in Westdeutschland genauso. Er wurde auch gebeten, in Bonn aufzutreten, wenn es um ausländische Gäste ging. Da gibt es im Grunde keinen Unterschied. Aber eine hübsche Geschichte muss ich Ihnen trotzdem erzählen: Eines Tages kam Herr Kirchschläger, der Präsident Österreichs, in die DDR zu Besuch. Und da war ein Empfang in Niederschönhausen. Da wurde ich vom Honecker-Büro angesprochen, ob ich nicht ein paar Lieder singen könnte. Möglicherweise noch ein paar österreichische. Jedenfalls habe ich das gemacht, und wie ich fertig bin mit Singen, kommt der Herr Kirchschläger auf die Bühne und begrüßt mich und sagt: „Ja mei, Herr Kammersänger, ich hab gedacht, sie seien ein Österreicher.“

Weil sie so oft in Salzburg waren?
Ja, der kannte mich ja von Wien und von Salzburg. Das war eine lustige Begebenheit. Und Herr Honecker stand daneben!

Sogar Ihre Familie durfte Sie auf Reisen in den Westen begleiten. Auf einer solchen Reise, nach Salzburg 1982, ist Ihr Sohn, der damals Anfang Zwanzig war, im Westen geblieben. Wie war das für Sie?
Ich war damals sehr sauer auf ihn, weil er diese Gelegenheit genutzt hat, um drüben zu bleiben. Er hätte ja auch offiziell rübergehen können, wenn auch sicher mit Schwierigkeiten. Damals habe ich ihm das übelgenommen. Das war ja auch ein Vertrauensbruch. Heute sind wir aber einer Meinung, dass das richtig war. Ich konnte es ihm ja auch nicht verwehren. Er war mündig. Er hatte die Hochschule abgeschlossen und keine große Perspektive in der DDR. Er hätte bei unserer Schallplattenfirma als „Lampenträger“ anfangen können. In Salzburg bekam er dagegen durch einen Bekannten gleich eine Stelle als Tonmeister beim Bayrischen Rundfunk. Es war eine unangenehme Situation. Aber zum Glück hat das mir keine Nachteile gebracht. Wahrscheinlich wollte die DDR auch nicht, dass das große Wellen schlägt.

Der andere große Klassik-Star der DDR war Theo Adam, der letztes Jahr verstorben ist. Wie war Ihr Verhältnis?
Wir waren sehr sehr gut befreundet. Theo Adam war ja zehn Jahre älter und hat für uns Junge sehr viel getan. Er war ja schon im Geschäft und konnte seine Beziehungen ausnutzen. Er war für mich ein großer Halt und auch ein Orientierungspunkt.

Meinen Sie, Ihre Karriere wäre anders verlaufen, wenn Sie in der BRD aufgewachsen wären?
Das ist schwer zu sagen. Dem ging ja eine Entwicklung voraus. Vor allem meine Mitgliedschaft im Kreuzchor hat mein ganzes musikalisches Leben beeinflusst. Und das war nun einmal in Dresden. Und diese Entwicklung aus dem Kreuzchor hat ja auch direkt zu meinem Beruf geführt.

Haben Sie ein Lieblingsmusikstück?
Mehrere. Die Bachsche „Matthäus-Passion“, von den Opern „Der Freischütz“. Aber eigentlich bin ich ja noch mehr ein Liedersänger. Da mag ich vor allem Schubert, zum Beispiel „Das Ständchen“, den Zyklus „Die schöne Müllerin“ oder „Die Winterreise“. Es gibt also bei mir eine gewisse Orientierung an alten deutschen Musikstücken.

Wie haben Sie den Fall der Mauer erlebt?
Ich habe den Mauerfall gar nicht richtig miterlebt. Ich hatte nämlich Schallplattenaufnahmen in Berlin und dann immer bis abends um elf. So auch an jenem Abend. Dann bin ich in die Stadt gefahren und habe den Mauerfall am Fernseher erlebt. Ich war dann in den nächsten Tagen auch wahnsinnig enttäuscht über die Reaktionen von den Politbüro-Mitgliedern, von Herrn Stoph (Willi Stoph, seit 1953 Politbüromitglied der SED, zuletzt Ministerratsvorsitzender – Anm. d. Red.) und wie sie alle hießen. Die waren ja geradezu hilflos, wenn sie bei Interviews gestellt wurden. Sie wurden richtig bloßgestellt, weil sie gar nicht in der Lage waren, sich anständig zu verteidigen. Allerdings haben sie natürlich auch viel Unsinn gemacht. Die Wirtschaftspolitik der DDR war total daneben, mit vielen Schulden. Das hat den Staat unheimlich geschwächt. Und dann die Preispolitik im Inland. Ich meine, eine Straßenbahnfahrkarte für zehn Pfennige in Dresden – das kann ja nicht wirtschaftlich sein. Da gibt es so viele Beispiele. Man hat alles so billig gehalten – da war der Kontrast nach der Wende natürlich besonders groß.

Haben Sie also schon damals damit gerechnet, dass die Mauer fällt?
Das vielleicht nicht, aber mir war schon klar, dass die Mauer ein Hemmnis ist für die Entwicklung der DDR. Wir haben das ja dann erlebt, als die Menschen auf die Straße gegangen sind. Sie haben gesagt: Lasst uns mal rüber. wir kommen doch wieder! Sie wollten doch nichts weiter, als mal raus.

Das Meiste aus der DDR landete nach der Wende auf dem „Müllhaufen der Geschichte“. Wie ist es Ihnen ergangen?
Für mich persönlich gab es eigentlich einen nahtlosen Übergang. Aber insgesamt, muss ich sagen, hat man uns schon die westliche Ordnung übergestreift. Es wird ja immer noch an der Existenz der DDR rumgeknabbert. Aber sie war nun einmal vierzig Jahre da und hat in der Weltpolitik mitreden dürfen. Ich fand das ganz schön überheblich, die Art und Weise, wie man die DDR untergebuttert hat. Da hätte man einen anderen Weg finden müssen. Denn die Menschen hier sind bis heute eindeutig benachteiligt.

Wenn man Sie bitten würde, eine Rede zu halten, um Ihren ostdeutschen oder sächsischen Landsleuten Mut zu machen, was würden Sie sagen?
Wenn wir uns orientieren an unseren Leistungen und Erfolgen in der Vergangenheit, ob nun auf musikalischem, wissenschaftlichem oder technischem Gebiet, dann finden wir auch wieder raus aus diesem Tal und werden diese verlorenen Jahre auch wieder aufholen. Ich bin da sehr optimistisch. Wenn ich die Zeitung lese, stelle ich auch fest, dass immer wieder Glanzpunkte hervorgebracht werden. Das lässt mich hoffen, dass wir das westliche Niveau auch wieder erreichen.

>> Das Interview zum Nachhören



Sächsische.de
26.06.2019
Peter Schreier mal zwei
Erst Anfang des Jahres wurde die gestohlene Büste des Star-Tenors in Kreischas Kurpark ersetzt. Nun gibt es eine zweite Büste im Ort: in der Bavaria-Klinik.

Den Kopf leicht erhoben, den Blick in die Ferne gerichtet, so hat Bildhauer Hans Kazzer Star-Tenor Peter Schreier in Bronze festgehalten. Aber nur knapp sieben Wochen, nachdem die Büste anlässlich der zehnten Schumanniade im Juni 2018 eingeweiht worden war, hatten Diebe sie gestohlen.

In den Monaten darauf blieb der Sockel im Kreischaer Kurpark, unweit des Rathauses, verwaist. Dank eines Spenders konnte Hans Kazzer aber eine neue Bronze gießen lassen. Seit Anfang dieses Jahres ist diese nun an ihrem angestammten Platz im Herzen Kreischas mit 30 Zentimeter langen Schrauben auf dem Sockel verankert.

Inzwischen aber gibt es noch eine Schreier-Büste. Zu finden ist sie im Haus II der Bavaria-Klinik, vor dem großen Panoramafenster gegenüber dem Speisesaal. Patienten und Gäste verweilen hier gern und genießen den Blick auf die Landschaft. Ein idealer Platz, um Peter Schreier zu würdigen, denn seit Jahrzehnten ist das Leben des Tenors eng mit Kreischa verbunden. Auch die Klinik kennt er gut. „Hier fand er wohltuende Erholung“, sagte Hans Kazzer anlässlich eines kleinen Festaktes, in dessen Rahmen der Bildhauer die zweite Büste des Sängers enthüllte.

Schreier-Büste
Künstler Hans Kazzer, Bürgermeister Frank Schöning und Klinikleiter Rudolph Presl (v.l.) weihen die Schreier-Büste in der Bavaria Klinik ein. © Andreas Weihs

Die Idee, sie in der Bavaria-Klinik aufzustellen, war vom Klinik-Chef persönlich gekommen. Der Vorfall im Kurpark hatte ihn und Hans Kazzer zusammengeführt. „Wir kannten uns bis dahin gar nicht“, sagte Rudolf Presl. Spontan, so erzählte er weiter, habe er den Künstler gefragt, ob er nicht eine weitere Bronze in der Bavaria-Klinik aufstellen wolle. Begeistert hatte Kazzer zugestimmt und einen weiteren Abguss in Auftrag gegeben.

„Vom Platz in der Klinik kann die Büste nun nicht mehr gestohlen werden“, freute sich der Bildhauer. Mit Peter Schreier steht er nach wie vor in engem Kontakt. Gerne, so sagte Kazzer, wäre der Tenor bei der Enthüllung der Büste dabei gewesen. Doch gesundheitliche Probleme hatten dem im Weg gestanden.

Sächsische.de 27.02.2019
Schreier-Büste steht wieder in Kreischa

Diebe hatten das Abbild des Opernsängers gestohlen. Von Tätern und Kunstwerk fehlt jede Spur. Dafür gibt’s jetzt Ersatz.

Lange stand der Basaltsockel verwaist im Kreischaer Kurpark. Im August 2018 hatten Unbekannte über Nacht die Bronzebüste vom ehemaligen Star-Tenor Peter Schreier gestohlen. Ihr Wert wurde auf rund 10 000 Euro geschätzt. Doch die Polizei hatte damals vor Ort keine Spuren finden können. Auch ein öffentlicher Zeugenaufruf blieb bisher ohne Ergebnis. Die Akte sei aber noch offen, teilt Polizeisprecher Lukas Reumund auf Nachfrage mit. Die Staatsanwaltschaft habe übernommen.

Ratlos war auch Bildhauer Hans Kazzer. Über ein Jahr hat er an der Büste gearbeitet, bis sie zur zehnten Schumanniade im Juni 2018 ganz in der Nähe des Kreischaer Rathauses aufgestellt worden war. Doch nur sieben Wochen nach ihrer Einweihung, war sie weg. „Wer stiehlt so ein Objekt und warum“, fragt sich Kazzer auch heute noch. Um das Material kann es den Dieben wohl kaum gegangen sein, mutmaßt er. Denn dessen alleiniger Wert sei nicht so hoch gewesen. Umso mehr freut es den Künstler, dass die Büste inzwischen wieder an ihrem Platz steht. Auch Peter Schreier sei darüber sehr glücklich, sagt Kazzer. Dass das möglich geworden ist, verdanken Bildhauer und Kunst- und Kulturverein „Robert Schuhmann“ einem Spender. Öffentlich genannt werden, wolle dieser aber nicht, heißt es aus dem Kulturverein. Noch im vergangenen Jahr konnte Kazzer so eine neue Büste gießen lassen. „Bei dieser ist die Patina fast noch schöner gelungen als bei der ersten“, freut er sich. Um einem neuerlichen Diebstahl oder Vandalismus vorzubeugen, hat Hans Kazzer das Kunstwerk mit 30 Zentimeter langen Schrauben, die zudem auch in speziellen Zement gegossen wurden, fest auf dem Sockel verankert. „Die Büste müsste nun sicher sein. Die bekommt man nur noch mit schwerem Gerät ab“, bekräftigt er.



TAG24/Dresden
19.01.2019
Abscheid von Theo Adam
Peter Schreier sprach mit TAG24 über den verstorbenen Kämmersänger Theo Adam (1926-2019)
Von Guido Glaner


Dresden. Familie, Freunde und Musikerkollegen haben Abschied von Kammersänger Theo Adam genommen. Der Bassbariton, der in Wagner-Partien, Mozart- und Strauss-Rollen Weltgeltung erlangte, war vor gut einer Woche im Alter von 92 Jahren gestorben. Mitglieder des Dresdner Kreuzchors, dem auch Adam einst angehört hatte, sangen Bach. Ein Enkel und der Bassbariton Florian Hartfiel trugen ein oft mit dem Großvater gesungenes Schubert-Lied vor.
[…] Dem Verstorbenen erwiesen auch prominente Kollegen wie Pianist Peter Rösel, Dirigent Hartmut Haenchen und Peter Schreier die letzte Ehre. Der Tenor erinnert sich im TAG24-Gespräch an den Künstler, Mensch und engen Freund.

"Keiner war so selbstlos wie er"
TAG24: Herr Schreier, Theo Adam und Sie, wie haben Sie sich kennengelernt?
Peter Schreier: Das war 1945 im Kreuzchor. Ich war damals zehn Jahre alt. Theo war im Kreuzchor gewesen, bevor er vom Militär eingezogen wurde. Etwa zu der Zeit, als ich in den Chor eintrat, kam er als Spätheimkehrer zurück. Damals sind wir in Verbindung gekommen. Später haben wir oft gemeinsame Konzerte gesungen und wurden dabei Freunde.
TAG24: Theo Adam war neun Jahre älter als Sie. War er Ihnen ein Vorbild?
Schreier: Ja, absolut. Als Sänger und als Persönlichkeit. Er hat uns jungen Sängern, also nicht nur mir allein, sehr geholfen. Er gab uns künstlerische Ratschläge und öffnete uns Wege, Karrierewege, zum Beispiel indem er uns über seine Kontakte zu Engagements verhalf. Er war selbstlos darin, andere zu unterstützen.

TAG24: Sie wohnten Luftlinie nicht weit auseinander. Wie eng war Ihre Freundschaft, wie oft haben Sie sich getroffen?
Schreier: Wir waren sehr oft zusammen. Es waren viele private, sehr persönliche Kontakte, die auch unsere Familien einbezogen haben. Auch beruflich waren wir immer wieder eng beieinander. Berufliches und Privates ging nahtlos ineinander über.
TAG24: Gab es gemeinsame Rituale zwischen Ihnen?
Schreier: Es war eher etwas Familiäres, nämlich die Beziehungen zwischen ihm und meinen Kindern. Er war für sie der große Onkel. Und er war ein großartiger Onkel. Die Kinder hingen wirklich sehr an ihm.

TAG24:
Was war aus Ihrer Sicht Theo Adams hervorragendste Eigenschaft – künstlerisch und menschlich?
Schreier: Menschlich auf jeden Fall die Selbstlosigkeit, dieses völlig uneitle Verhalten, wenn es darum ging, anderen zu helfen. Ich kann wohl sagen, dass ich nie wieder einen Kollegen getroffen habe, der sich so selbstlos verhalten hat wie Theo. So etwas wie Konkurrenzdenken kannte er nicht. Er war solchen Dingen einfach überlegen. Das war wirkliche menschliche Größe. Musikalisch war es dieser unbedingte Gestaltungswille in Sprache und Tongebung, der ihn von anderen unterschied. Bei einem Lied oder eine Opernarie muss etwas erzählt werden, das ist unsere Aufgabe als Sänger. Theo hat sie vorbildlich ausgefüllt. So etwas wie verwaschene Konsonanten gab es nicht bei ihm, seine Artikulation war einzigartig. Das Singen war seine Berufung, meine ich, und diese Berufung hat er voll ausgelebt.

TAG24: Theo Adam ist im Alter von 92 Jahren nach langer Krankheit gestorben. Können Sie sich damit versöhnen?
Schreier: Leider war es so, dass das Leben für ihn seit längerer Zeit nicht mehr lebenswert war. Die Nachricht von seinem Tod kam für uns, meine Frau und mich, nicht unvorbereitet und hat uns doch überrascht. Es ist wohl gut so, wie es jetzt ist, aber traurig sind wir doch.




Der Spiegel
21.12.2018
Der Weltsache

Der Tenor Peter Schreier war einer der wenigen internationalen Stars der DDR. Ein Gespräch über ein Leben zwischen den Welten, seine Heimatstadt Dresden, über Pegida und den Kult um Weihnachten.
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MZ-Web
13.10.2018
Edda Moser und Peter Schreier plaudern aus Karriere-Nähkästchen

Bad Lauchstädt. Wenn sich alte Bekannte treffen, gibt es viel zu erzählen. Handelt es sich dabei um Stars, bekommt die Angelegenheit zusätzlich Glanz. So ist es kein Wunder, dass der Festsaal der Kuranlagen in Bad Lauchstädt an einem gewöhnlichen Wochentag nahezu bis auf den letzten Platz gefüllt ist, als Edda Moser und Peter Schreier auf dem Podium Platz nehmen. [….]
Der Moderator hat Hörbeispiele auch von Peter Schreier mitgebracht. Der sang 1950, als 15-Jähriger, die Arie „Es ist vollbracht“ aus Bachs Johannes-Passion. Als der wunderbar klare Knaben-Alt nun, 68 Jahre nach der Aufnahme, erklingt, könnte man im Saal die berühmte Stecknadel zu Boden fallen hören.

Man müsste schon sehr hartgesotten sein, käme einen nicht Rührung an, während man den Sänger beim Hören seiner eigenen Stimme beobachtet. Da zieht seine ganze, riesige Karriere an ihm vorbei, Andacht und Glück spiegeln sich in seinem Gesicht, vielleicht auch ein bisschen Wehmut. Und große Dankbarkeit.[...]

Edda Moser & Peter Schreier, Okt.2018. Fotp: Peter Wölk

Und dann bekennt der 83-Jährige, der einer der wichtigsten Exportschlager der DDR gewesen ist: „Ich habe damals natürlich keine Ahnung gehabt, worum es hier geht.“ In diesem einen Punkt mag man ihm nicht glauben - gefühlt muss er schon haben, was die Passion bedeutet. Sonst hätte er das nicht so singen können.[...]
Andreas Montag




Gotha.thueringer-allgemeine
08.10.2018
Peter Schreier in Gotha
Ein weltberühmter Sänger berichtet aus seinem Künstlerleben

Gotha. An die bewegte Geschichte des Ekhof-Theaters im Schloss Friedenstein in Gotha und seine Wiedereröffnung vor 50 Jahren erinnerte Oberbürgermeister Knut Kreuch (SPD) am späten Freitagnachmittag, danach bat er den Stargast auf die Bühne: Kammersänger Peter Schreier aus Dresden. Der einst für seine Stimme berühmte, international gefeierte Tenor, mittlerweile 83 Jahre alt, war einst mehrfach hier aufgetreten, und nun ließ er das Publikum an seinen künstlerischen Lebenserinnerungen teilhaben.

Unübersehbar körperlich gebrechlich, nahm er mühsam am barocken Tischchen mit der antiken Leselampe Platz. Zwar war eine Lesung angekündigt, doch wohlweislich sprach er lieber frei: Trotz Leselupe gelang es ihm nur mühsam, einige wenige Zeilen aus seinen Büchern zu entziffern. Hin und wieder eingeschränkt durch Wortfindungsstörungen, sprach er ein wenig stockend. Doch was er sagte, zeugte von einem immer noch sehr wachen Geist.


Peter Schreier in Gotha, Okt.18

Als Kruzianer unter Rudolf Mauersberger hegte er früh den Wunsch, Musiker zu werden – Kapellmeister. Doch Mauersberger riet ihm: Werde Sänger! Dann jedoch, 18-jährig, brach er in Bachs Matthäus-Passion als Evangelist fürchterlich ein – vor mehr als 3000 Hörern! Ein anderer hätte vielleicht das Handtuch geworfen. Für Schreier hieß das: Nun erst recht! Er begann ein Gesangsstudium an der Dresdner Musikhochschule. „Das führte mich auf den Boden der Tatsachen zurück“, sagte er, „ich bekam eine neue Einstellung zum Beruf des Sängers.“
Das bedeutete aber, sich keine stimmlichen Eskapaden zu leisten, zu lernen, mit Konkurrenz umzugehen, und „in seinem Körper eine seelische Grundlage zu schaffen, um jederzeit diesen Beruf ausüben zu können“. Bald begann Schreier zusätzlich mit dem Kapellmeisterstudium. Gleichzeitig konzentrierte er, der lyrische Tenor, der auf der Opernbühne schon recht erfolgreich war, sich mehr auf den Liedgesang, eine ganz eigene musikalische Spezies. Nach Fritz Wunderlichs Unfalltod trat er unter Karajan zu den Salzburger Festspielen auf – 25 Jahre lang ununterbrochen.

Zwischendurch erklangen einige Musikbeispiele: Die Bildnis-Arie aus Mozarts „Zauberflöte“, zwei Lieder aus Schuberts „Winterreise“, das schlicht-innige „All mein‘ Gedanken“ und die Arie „Un‘ aura amarosa“ (Der Atem der Liebe) aus Mozarts „Cosi fan tutte“.

Seine Interpretation des Schubert’schen „Lindenbaums“, in ungewöhnlich langsamem Tempo vorgetragen und von dem genialen russischen Pianisten Swjatoslaw Richter höchst einfühlsam begleitet, dürfte angesichts des menschlich tief lotenden Ausdrucks noch heute ein unerreichtes musikalisches Unikat darstellen. Dessen ist sich Schreier durchaus bewusst. Nur mit dem richtigen Begleiter, meint er, sei man in der Lage, „mehr als nur schön“ zu singen und eine unverwechselbare Glaubwürdigkeit der Interpretation zu erreichen. Manchmal, glaubt er, neige Operngesang zur Oberflächlichkeit: „Da muss der Sänger tun, was der Regisseur sagt.“ Und kann nicht, wie im Liedgesang, seinem Herzen folgen. Zumal in großen Sälen, da gelte zu oft der Grundsatz „Je lauter, desto besser“. Auf die gleiche qualitative Höhe wie den Liedgesang stellt Schreier übrigens die Rolle des Evangelisten in Bachs großen Oratorien – dafür sorge aber schon der Komponist.
Der Stargast ist fertig. Eben noch erklang „Der Wegweiser“ aus der „Winterreise“: „Eine Straße muss ich gehen, die noch keiner ging zurück ...“ Peter Schreier weiß, was er damals sang. Und das Publikum ahnt es.
- Dieter Albrecht





Mendelssohn-Haus Leipzig
04.09.2018
Meisterkurs hat begonnen

Peter Schreier, Mendelssohnhaus Leipzig, 0918


Vom 3. bis 6. September arbeiten 5 junge Sängerinnen und Sänger unter der kompetenten und gestrengen Anleitung von KS Prof. Peter Schreier an der Interpretation der Lieder von Robert Schumann und Felix Mendelssohn Bartholdy. Es ist Unterricht und dennoch vergnüglich, die Feinheiten der ausgewählten Stücke herauszufeilen. [.....] Am 6. September, 19.30 Uhr, stellen die Akademisten ihre Kursergebnisse im Konzert in der Reformierten Kirche in Leipzig vor. (Facebook)




Sächsische Zeitung
08.08.2018
Peter Schreier gestohlen
In Kreischa ist die bronzene Büste des Dresdner Opernsängers verschwunden. Die Polizei sucht nun Zeugen.

Kreischa. Nicht einmal sieben Wochen ist es her, als dem weltberühmter Dresdner Tenor Peter Schreier eine Büste gewidmet wurde. Am 23. Juni war die vom Kreischaer Bildhauer Hans Kazzer geschaffene Bronze im Kurpark an der Dresdner Straße eingeweiht worden. Nun ist sie weg – gestohlen, teilte die Polizei am Mittwoch mit. Unbekannte Diebe haben zwischen Montagabend und Dienstagmorgen 8 Uhr im Kreischaer Kurpark die Bronzebüste vom ehemaligen Star-Tenor gestohlen. Die Büste sei mindestens 25 Kilogramm schwer und habe einen Wert von rund 10 000 Euro. Der Sockel sei noch da.

Büste Peter Schreier

Künstler Hans Kazzer ist fassungslos angesichts des dreisten Diebstahls: „Da mag ich gar nicht drüber nachdenken“, sagt er. Auch Schreier selbst könne die Tat kaum fassen. Rund ein Jahr habe es gedauert, bis die Büste endgültig fertig war. Immer mal wieder habe er daran gearbeitet, erklärt der Bildhauer aus dem Ortsteil Lungkwitz. Schreier selbst sei bei Kazzer in der Wohnung gewesen, zusammen hätten sie letzte kleine Veränderungen vorgenommen.

Die Büste war im Rahmen der zehnten Schumanniade unweit des Rathauses aufgestellt worden. Schreier hat dieses Jahr als Leiter der Reihe mit Konzerten und Liederabenden aufgehört. Die Veranstalter vom Kunst- und Kulturverein „Robert Schumann“ Kreischaer und Kazzer wollten sich mit der Büste bei dem 83-jährigen Dresdner für sein Engagement bedanken.

Schreier-Einweihung-Bueste
Renate und Peter Schreier mit Wolfgang Bergner (Schumanniade), Juni 2018

„Der Diebstahl ist sehr bedauerlich. Es ist nicht nachzuvollziehen, welche niederen Beweggründe man haben muss, um das zu tun“, sagt Bürgermeister Frank Schöning (FBK). Die Diebe hätten Kazzer zufolge womöglich auch versucht, seine Schumann-Büste im Kurpark zu stehlen. „Die ist aber viel zu schwer“, erklärt der Künstler. Er hofft, dass die Schreier-Büste wieder auftaucht.



Sächsische Zeitung
21.06.2018
Sofort Feuer und Flamme
Schumanniade in Kreischa und Reinhardtsgrimma beginnt. Für einen früheren Startenor endet dann eine Ära.
Von Stephan Klingbeil


Kreischa/Reinhardtsgrimma. Es wird ein Abschied nach fast zwei Jahrzehnten. Mit der am Freitag beginnenden zehnten Schumanniade hört der ehemalige Startenor Peter Schreier als künstlerische Leiter dieses dreitägigen Musikfestivals in Kreischa und Reinhardtsgrimma auf. Ehe sein Nachfolger Olaf Bär das Ruder übernimmt, will der 82-jährige Kammersänger aus Dresden sogar noch ein letztes Mal selbst bei der Schumanniade auftreten.
Mit seinem Freund, dem weltbekannten Pianisten Sir András Schiff, interpretiert er zum Abschluss bei der Matinee am Sonntag im Schloss Reinhardtsgrimma als Sprecher die Davidsbündlertänze vom jungen Robert Schumann – nach Melodramen von Friedrich Hebbel. Schreier freut sich auf diese, wie er sagt, „Herausforderung“.
„Die Matinee ist aber schon ausverkauft“, erklärt indes Iris Dill vom Kunst- und Kulturverein „Robert Schumann“ Kreischa, der die Konzertreihe organisiert. Anders sehe es bei den beiden weiteren Veranstaltungen der Schumanniade aus.
[…]
Künstler vom Weltformat traten bereits viele, auch mehrmals, bei Schumanniaden auf. Aus Österreich, Japan, England oder auch Norwegen reisten sie an und sorgten ebenfalls dafür, dass Kreischa in der Musikwelt ein Begriff geworden ist. Sie folgten stets dem Ruf von Schreier. Die Schumanniade ist eng mit dem Ehrenvorsitzenden des Kunst- und Kulturvereins verbunden.
Der langjährige Kammersänger und Dirigent hat ein Wochenendhaus im Ortsteil Lungkwitz und weilte bereits 1994 regelmäßig dort. Damals hatte sich der Kunst- und Kulturverein gegründet, um dem kulturellen Leben in Kreischa mehr Schwung zu verpassen. Seither organisiert Verein unter anderem eine eigene Konzertreihe in den Ortsteilen Kreischa, Quohren und Saida, die Nachfolgeveranstaltungen der beliebten Seniorennachmittage. Und der Chor des Vereins tritt regelmäßig auf, auch mit anderen Gesangsgruppen.

Über den Nachbarn zum Verein
Als es im Mai 1849 zum Dresdner Aufstand kam, floh der aus Zwickau stammende Komponist mit seiner Familie nach Maxen auf das Rittergut von Freunden. Doch das Gebaren dorthin geflüchteter Aristokraten soll für Schumann zu viel gewesen sein. So zog der damals 38-Jährige samt Familie weiter ins nahe Bad Kreischa. Dort fand er Ruhe zum Komponieren. In den folgenden Wochen komponierte er mehrere Stücke. Vor allem diese Werke wurden bei der Schumanniade gespielt – und werden es sicher auch noch nach dem Ausscheiden von Schreier unter Olaf Bär. Im Verein geht man davon aus, dass der 60-jährige Schumann-Preis-Träger und Professor an der Hochschule für Musik in Dresden als neuer künstlerischer Leiter am bewährten jetzigen Konzept anknüpfen wird. Der zweijährige Rhythmus soll wohl beibehalten werden. Nur einmal, aufgrund des 200. Geburtstags des Namenspatrons pausierte das Festival mal drei Jahre, damit es im Jubiläumsjahr 2010 stattfinden konnte.

1999 feierte die Schumanniade Premiere. Schreiers Vision wurde Realität. Der frühere Startenor kam am 28. Februar 1995 über seinen Nachbarn aus Lungkwitz, dem Violinisten und Vorstand Martin Schneider-Marfeld, zum Verein. Er erzählte von der Schubertiade Feldkirch und und seiner Idee der Schumanniade in Kreischa. „Wir waren sofort Feuer und Flamme“, erinnert sich Dorothea Konrad. Noch am selben Abend wurde Schreier Vereinsmitglied.
Das Musikfestival erlangte rasch internationale Bekanntheit. Regelmäßig waren die Konzerte ausverkauft. „Einmal war es bei einem Auftritt von Herrn Schreier rappelvoll und es wollten immer mehr Leute dabei sein, dass wir Vereinsmitglieder unsere Plätze geopfert, also abgegeben haben“, sagt Dorothea Konrad. Auch dieses Jahr locke die Schumanniade wieder viele Klassikliebhaber, darunter auch Gäste von den Schumann-Vereinen aus Leipzig und Zwickau, für ein paar Tage nach Kreischa.
Nicht wenige der Besucher werden sich am Sonnabend um 18 Uhr im Kurpark versammeln. Denn dann wird dort eine Büste von Peter Schreier enthüllt. Neben dem Schöpfer Hans Kazzer will unter anderem auch der Startenor selbst mit vor Ort sein.



Sächsische Zeitung
02.06.2018
Bronzebüste für Star-Tenor
Peter Schreier hört als Leiter der Schumanniade in Kreischa auf. Zu seinem Abschied erhält er eine ganz besondere Ehrung.
Von Stephan Klingbeil

Kreischa.  Der ehemalige Star-Tenor und Dirigent Peter Schreier aus Dresden hört als Leiter der Kreischaer Schumanniade auf. Das Fest, das an die kreativen Aufenthalte des Komponistenpaares Clara und Robert Schumann in der Region erinnert, findet vom 22. bis 24. Juni statt. Es ist die zehnte Auflage der Reihe mit Konzerten und Liederabenden auf Schloss Reinhardtsgrimma und Kreischaer Kirche. Die Leitung übernimmt fortan der Dresdner Kammersänger und Professor Olaf Bär. Zum Abschied wird Schreier aber noch eine ganz besondere Ehre zuteil. Ihm wird eine Büste gewidmet.

Sie wurde vom Kreischaer Bildhauer Hans Kazzer geschaffen und wird am 23. Juni ab 18 Uhr, im Beisein des 82-jährigen Opernsängers im Kreischaer Kurpark eingeweiht. Von Kazzer stammt bereits die dortige Schumann-Büste. Das neue Kunstwerk soll nun nahe des Rathauses auf einer Wiese aufgestellt werden. Laut Gemeindeverwaltung ist die Genehmigung der Denkmalschutzbehörde auch erteilt. Die Festveranstalter vom Kunst- und Kulturverein „Robert Schumann“ Kreischa und Kazzer selbst wollen sich mit der Büste bei Schreier für sein Engagement bedanken.



Sächsische Zeitung 01.06.2018
„Jetzt mach’ ich auf Sprecher“
Peter Schreier lag lange auf der Intensivstation. Nun rappelt er sich wieder hoch und tritt bei seinem Schumann-Fest auf.
Von Bernd Klempnow

„Ich lass mich immer wieder zu Auftritten überreden. Aber eigentlich brauche ich die Zeit für meine Gärten in Dresden und Kreischa“, sagt Peter Schreier. Und eigentlich müsste er erst einmal seinen Rücken kurieren.

Peter Schreier 2018
© Ronald Bonß

Peter Schreier hat Humor. „Ich lag im Frühjahr mit dieser fiesen Grippe vier Wochen auf der Intensivstation“, sagt der 82-Jährige. „Es stand offenbar auf Kippe, denn verdächtig viele Leute besuchten mich. Noch mal Schreier sehen! Aber so einen Abgang wollte ich nicht.“ Also rappelte er sich wieder hoch. Gerade kommt er von der medizinischen Kur in Kreischa. Mithilfe der Kunst will er sich in Kreischa und Reinhardtsgrimma noch weiter aufpäppeln. Er leitet dort die 10. Schumanniade, die vom 22. bis 24. Juni stattfindet. Das kleine Fest soll an die ungemein kreativen Aufenthalte von Clara und Robert Schumann in der Region 1849 erinnern. Das Besondere des diesjährigen Festivals: Der Musiker, der sich als Sänger Ende 2005 und eigentlich auch als Dirigent von der Bühne verabschiedet hatte, tritt beim Abschlusskonzert noch einmal auf – als Sprecher.

„Ich weiß, was Sie jetzt denken“, sagt er: „Der Alte kann nicht mehr singen, also macht er auf Sprecher.“ Er wollte eigentlich keinen Auftritt mehr, „weil das doch immer eine Belastung ist“. Dabei sind es nicht die Nerven, die flattern. Peter Schreier hat seit Jahren mit dem Rücken Probleme. Kein Arzt konnte ihm bisher helfen. Medikamente tun es auch nur bedingt. Morgens braucht er derzeit Stunden, um in die Gänge zu kommen. Aber er sagt: „Ich bin kein Typ, der so ’ne Sachen auslebt. Gehenlassen gibt es bei mir nicht.“

„Ich verbeuge mich vor den Damen“
Sein Freund, der Starpianist Sir András Schiff, weiß um diese Stehauf-Qualitäten. Er, der sonst in Metropolen spielt und nur Schreier zuliebe immer wieder ins Schloss Reinhardtsgrimma kommt, wünschte sich für die Schumanniade dieses letzte gemeinsame Duo. Sie interpretieren die Davidsbündlertänze vom jungen Robert nach Melodramen von Friedrich Hebbel. Die Texte kann Schreier nicht frei nach Belieben sprechen, sie sind in den Klavierstücken rhythmisch präzise vorgegeben. Das sei eine Herausforderung. „Ich freue mich auf die Schumanniade, weil ich wieder mal ein bisschen mehr von der musikalischen Welt mitkriege.“

Der ehemalige Kruzianer und einst über Jahrzehnte weltweit gefeierte Tenor hat für sich selbst wie fürs Festival Neues entdeckt – nämlich Lieder von Clara Schumann, Fanny Mendelssohn und Pauline Viarot. Die Sopranistin Miriam Alexandra gab den Tipp und wird sie im Eröffnungskonzert singen.

Diese Kompositionen vor allem von Pauline Viarot (1821 – 1910), die eine der vielseitigsten Künstlerinnen des 19. Jahrhunderts war, offenbarten Schreier ein musikalisches Genie. „Ihre Lieder fühlen sich an wie die von Hugo Wolf. Diese Farben, diese Kraft.“ Es sei unglaublich, dass diese Frau, die von Richard Wagner wie Theodor Storm geschätzt worden war und der Camille Saint-Saëns seine Oper „Samson et Dalila“ gewidmet hatte, nicht populärer sei. Nur Insider würden ihren Namen kennen. Doch auch, was von Clara und Fanny zu hören sein wird, dürfte für viele neu sein. Man habe diese Lieder damals offiziell einfach Robert und Felix zugeschrieben – die „Damen wurden verleugnet, umso mehr verbeuge ich mich vor ihnen“.

Zudem freut sich Schreier, dass die „fantastischen Hornisten der Sächsischen Staatskapelle“ das Schumann-Konzert für zwei Klaviere und vier Hörner F-Dur spielen. Es gehört zu den Lieblingsstücken des Kammersängers.

So ist das Programm dieser Ehrung wieder abwechslungsreich und doch ganz speziell. Als Bilanz seiner bislang zehn Festivals sagt Schreier: „Es hat sich gelohnt, den Komponisten (1810 – 1856) in Beziehung zu der Region, wo er viele Hauptwerke geschaffen hat, in den Vordergrund zu stellen.“ Alle zwei Jahre geschah das. Die Schumanniade bei Dresden ist das kleinste Festival für den Schöpfer der „Frühlingssinfonie“ und von gut 150 Liedern. Aber es bot stets Feinheiten von höchster Qualität.

Zum letzten Mal lädt Peter Schreier dazu ein. Er gibt die Leitung der Schumanniade an den Dresdner Kammersänger und Lied-Professor Olaf Bär ab. „Ich tue das lieber rechtzeitig, so wie ich es auch als Sänger getan habe. Zu viele treten erst nach dem Zenit ab.“
Der 60-jährige Bariton Bär ist Schreiers erste Wahl. „Er ist eine Persönlichkeit, die Robert Schumann sehr verbunden ist. Zudem: Wir haben auch musikalisch gern zusammengearbeitet.“
Und dann? Wird es nicht langweilig ohne Auftritte und Termine? „Nein, ich bin gern faul. Außerdem habe ich jetzt Zeit, mich mit CDs und DVDs zu beschäftigen.“ Mehrere Tausend hat er im Musikzimmer seines Hauses am Elbhang von Loschwitz. Und immer wieder kommen welche mit ihm selbst hinzu.

„Mein Fernziel ist der Willisch“
Gerade ist in Japan eine neue CD erschienen, die Material „kreuz die quer durch den Liederwald“ von Beethoven bis Mozart und eine Live-Aufnahme der schumann’schen „Dichterliebe“ vom 16. Oktober 1996 im Metropolitan Theatre Tokio bietet. Es begleitet am Klavier der langjährige Schreier-Pianist Helmut Deutsch. Im Internet ist die Doppel-CD erhältlich. „Erstaunlich finde ich, dass die Nachfrage nach meinen Sachen immer noch da ist. Ich bin doch schon so lange weg. Andererseits freut es mich, wenn ich im Gedächtnis der Leute bin.“

Mancher Musikfreund wird ihn auch anders gut in Erinnerung haben. Der Ausnahmekünstler räumt auf und verschenkt an Studenten seine Partituren. Nur drei Komponisten bleiben unangetastet. Die Lieblinge Bach, Mozart und Pfitzner. Pfitzner? „Ja, ich habe doch dessen Palestrina gesungen – ein fantastisches Werk. Leider wird Pfitzner nicht so oft gespielt. Er hätte es verdient.“ Die Einspielung unter Otmar Suitner und mit Künstlern der Berliner Staatsoper von 1986 gilt unverändert als Referenzaufnahme, so wie Schreier meisterlich gestaltet.

Wenn der alte Dresdner von Musik erzählt, dann vergisst er die Schmerzen. Und wenn er schwimmt. Jeden Tag zieht er seine Bahnen. Schreier kämpft. Nach der Schumanniade fährt er noch einmal zur Kur. In Meckpom soll es eine Spezialeinrichtung für Rückenleiden geben. „Mein Ziel ist es, wieder auf den Willisch bei Kreischa zu steigen. So, wie ich es früher zweimal im Jahr gemacht habe. Nirgends kann der Blick so herrlich über die wellige Landschaft des Osterzgebirges und Erzgebirgsvorlandes schweifen wie dort oben: schöne sächsische Heimat.“




LVZ
26.02.2018
Musikalischer Lichtblick in der Fastenzeit
Der Sächsische Kammerchor glänzt in der Thomaskirche mit der Johannespassion unter Peter Schreier
Von Katharina Stork

Kurz nach Beginn der Fastenzeit wagen sich schon wieder die ersten Ausblicke auf den Karfreitag und dem Ende der enthaltsamen Wochen auf die Veranstaltungspläne. Das Leiden Christi findet seine musikalische Verwertung unter anderen in der Johannespassion von Johann Sebastian Bach, die am Samstagabend in der Leipziger Thomaskirche zu hören war. Der Sächsische Kammerchor (Einstudierung: Fabian Enders) mit orchestraler Unterstützung der  Mitteldeutschen Virtuosen konnte erneut seine außerordentliche Bachkompetenzunter der Leitung von niemand geringerem als Kammersänger Peter Schreier beweisen.


Peter Schreier_0218


Sitzend entlockt der Dirigent dem Chor, bestehend aus Studierenden der Musikhochschule und Absolventen der des Thomaschores, den ersten glasklaren Ton. Den Gehstock hat Schreier vor Betreten des Podiums weggestellt, mit sichtbarer Körperspannung sitzt er vor der Partitur und hat sowohl Orchester als auch Chor mit einer Bewegung des kleinen Fingers im Griff.  Der erste Chorus „Herr, unser Herrscher“ zeichnet das überaus hohe Niveau des ganzen Abends vor: Messerscharf schießt der Sächsische Kammerchor seine Phrasen ab. In klagenden Koloraturen bleibt der Sopran präzise, exakt und vor allem die dynamischen Wechsel, das Auf- und Abschwellen der Töne hinterlassen Eindruck, genau wie die subtile und fließende Orchesterbegleitung. Schreier regiert teils mit harschen Bewegungen, teils mit harter Hand, wirft dem Chor die Einsätze hin oder entlockt ihm eine hauchzartes Piano.  

Tenor Martin Petzold eröffnet als Evangelist den Handlungsstrang. Der ehemalige Thomaner leitet versiert, mit großer Textverständlichkeit, durch die Geschichte, wandelt seine Intensität je nach Entwickelung, erzählt mal heftig, mal behutsam. Die Handlung erlangt durch seine klare Stimme Menschlichkeit und er lässt verschiedenste Figuren lebendig werden. Sogar das Lagerfeuer scheint zu knistern und zu flackern, wenn er Petrus‘ Erlebnisse vor dem Richthaus beschreibt.

Die erste Arie kommt von Altistin Marie Henriette Reinhold, Meisterklassenstudentin an der HMT. „Von der Stricken meiner Sünden“ präsentiert sie mit schokoladigdunklem Alt, setzt sich gegen das drohend schleichende Cello durch und lässt selbst Verzweiflung wohlig warm klingen. Eine emotionale Kehrtwende stellt die darauffolgende Sopranarie „Ich folge dir gleichfalls“ dar, gesungen von Viktoria Wilson. Leuchtende Freudestrahlt durch ihre voluminöse Höhe und die dunkler eingefärbter perlenden Koloraturen. Die Klangkonkurrenz von Sopran und grandiose Flötenmelodien tariert Schreier mit winzigen Anweisungen aus.

Immer mehr spitzt sich die Lage zu, bis schließlich die Kreuzigung durch Pilatus genehmigt und vollzogen wird. Der wird gesungen von Bass Lars Conrad, solide und standfest in den Rezitativen, warm und klar verständlich in den Bass-Arien und dem Austausch mit Engbert Junghanns, der sehr überzeugend den Christus singt.

Ein Höhepunkt ist am Ende die Tenorarie „Mein Herz, in dem die ganze Welt“. Patrick Grahl lässt mit viel Schmerz und metallischem Anklang die Trauer und Angst in seine durchweg klare Stimme fließen. Zwei Stunden höchste musikalische Qualität in der Thomaskirche – und damit ein Lichtblick in Fastenzeit und kaltem Februar!




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