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Sächsische
Zeitung 24.12.2002
Mehr als eine große Botschaft
Weihnachtsoratorium war Genuss und Hilfe zugleich
Meissen. „Brich an, o schönes Morgenlicht, und lass den Himmel
tagen!“ Wie ein roter Klangfaden zogen sich Licht und Hoffnung durch
die ersten drei Kantaten des Bachschen Weihnachtsoratoriums am Sonnabend in
der Frauenkirche zu Meißen. Peter Schreier gestaltete die Weihnachtsgeschichte
mit den Solisten Antje Perscholka (Sopran), Annekathrin Laabs (Alt), Martin
Petzold (Evangelist und Tenor) und Jochen Kupfer (Bass) sowie dem Sächsischen
Kammerorchester des MDR und dem Favorit- und Capell-Chor Leipzig als Benefizkonzert
für das Kuratorium „Rettet Meißen - jetzt“. Der Reinerlös
wird ausschließlich zur Sanierung flutgeschädigter Meißner
Kulturdenkmäler eingesetzt.
Seit der Hochwasserkatastrophe finden allerorten Benefizkonzerte statt, in
denen Künstler aller Couleur ihre tätige Solidarität mit den
Geschädigten bekunden. Für den Ehrenbürger der Stadt Meißen,
Kammersänger Prof. Peter Schreier, war dieses hochkarätige Kunstereignis
in der ausverkauften Kirche ein weiteres in einer seit Jahren - auch außerhalb
Meißens - stattfindenden Serie, deren künstlerische und materielle
Ergebnisse allesamt seiner Heimatstadt gewidmet waren. In den Bann seiner
immer tiefer gehenden, Traditionen hinterfragenden und entschlackten musikalischen
Konzeption dieser so populären ersten drei Kantaten zog Peter Schreier
nicht nur die Zuhörer, sondern auch die mit ihm hinreißend musizierenden
Künstler. (......) Martin Petzolds Evangelist lieferte keinen rationellen
Kommentar, sondern erzählte mit innerer Beteiligung eine bekenntnishafte
Geschichte. (.......)
A.B.
Ongakunotomo ("The Music Friend")
January 2003
Peter Schreier sings Winterreise
How long have we heard Peter Schreier sing? Even now we can not forget
his singing of “Die schöne Müllerin” at his first Japan
tournee 1974, which could be called as the ideal lyrical beauty. Then, in
80s we heard sometimes unnecessary exaggeration in his singing, which could
be done under bad influence from Fischer-Dieskau. It was that time when Schreier,
who had been known as Mozart-tenor, added the character tenor role of Mime
in Wagner’s “Der Ring des Nibelungen”. It was also that
time when he widened his activity as conductor in large scale. The excellent
singing of “Winterreise” this time was established upon the various
experiences since then. He has returned to the lyrical singing whose basis
is legato.
But his voice has got deeper and richer tone colour through aging and reflects
features with shadow corresponding to the tone colour.
We enjoyed the important singing with beauty and deep features which is to
be called as the results of singing Winterreise which he had added to his
repertory since the middle of 1980s.
In Radicke’s piano accompaniment there was some inflexibility as he
is young but as a total it supported the whole cycle of songs organically
well.
<Concert on 21st November 2002 in Takemitsu Memorial Hall of Tokyo Opera
City>
J-i. K. (Translation: "Sagittarius")
Dresdner Neueste Nachrichten 20.12.02
Erlesenes Weihnachtsoratorium in Großerkmannsdorf
In der schönen, 300 Jahre alten Dorfkirche von Großerkmannsdorf
war jetzt eine erlesene Aufführung der Kantaten IV bis VI des Bach'schen
Weihnachtsoratoriums zu erleben. Bis unters Dach saßen Gemeinde und
Zugereiste dicht an dicht. Mit dem Körnerschen Singverein unter Peter
Kopp stand ein Kammerchor zur Verfügung, der mühelos einen kristallklaren
Klang hervorzaubert (.....) An den Orchesterpulten saßen vor allem Mitglieder
der Sächsischen Staatskapelle Dresden, die natürlich in diesem Part
kaum Wünsche offen ließen (......) Das Solistenquartett - Jeanne-Pascale
Schulze, Angela Liebold, Peter Schreier, Olaf Bär - harmonierte in denkbar
schöner Weise: stimmlich wunderbar, engagiert und sinnfällig im
Ausdruck - auch dies das reinste Bach-Vergnügen. M.H.
Kurier 09.12.2002
Schubert als Kollege
Hofmusikapelle unter Peter Schreier
Wien. (......) Große Mariengesänge Mozarts bildeten nebst einem
"Konzert für Orgel und Orchester in C-Dur" von dessen Rivalen
Salieri den Eröffnungsteil. Eine über weite Passagen uninspiriert
abgespulte Aufwärmstrecke, als klarer, bejubelter Höhepunkt fungierte
Franz Schuberts große "Messe in Es-Dur D 950". Peter Schreier,
als Sänger geschätzt, hatte sich diesmal ans Pult begeben, zeigte
souverän Studiertes und vor allem herrlich geschmeidig musizierten Schubert:
Sanft, in milden, lichten Klängen wurde die Partitur entfaltet, die Sängerknaben
schienen gut disponiert wie selten. Schreier vermochte gefühlvoll zu
koordinieren, dank schlankem Klangbild hatte auch das Solistenquintett leichtes
Spiel: Ildiko Raimondi und Ulrike Helzel, die Herren Prégardien/Ullmann/Lodges
erwiesen sich als homogenes Sängerteam, jubilierend in den kleinen Soli.
Kollege Schubert, einmal mild gegeben. H.H.
Die
Presse 09.12.2002
Eintöniger
Marsch der Achtelnoten: Schubert tröstete
Wien. Mitglieder der Wiener Philharmoniker, die Wiener Sängerknaben und
die Herren des Wiener Staatsopernchores - das sollte doch, zusammengenommen,
für hohe wienerische Musikkultur auf dem Gebiet der Musica sacra garantieren.
In Wahrheit zerfiel der Nachmittag in zwei grundverschiedene Hälften.
Ein strohtrockenes Orgelkonzert von Antonio Salieri zu Beginn, von Herbert
Tachezi tadellos exekutiert, schien auf die Wiedergabe der nachfolgenden Kompositionen
von Mozart eine lähmende Wirkung ausgestrahlt zu haben, so gut sie auch
für den kommenden Marienfeiertag ausgewählt sein mochten: (.......)
Aber Schreier sorgte sich hier weder um sinnvoll gliedernde Phrasierung noch
um eine halbwegs deutliche Textaussprache, sondern ließ die Stücke
lediglich in bedächtigen Tempi und einförmig dahinmarschierenden
Achtelnoten ablaufen.
Nach der Pause wendete sich das Blatt vollkommen. War es die Affinität
des begnadeten Schubertsängers zu dessen Musik oder hatte man nur den
Löwenanteil der Probenzeit auf das Hauptwerk des Konzerts verwendet -
Franz Schuberts Es-Dur Messe erstand in plausibel gewählten, überzeugend
modifizierten Tempi, in den kontrastreich aufgetürmten, atemberaubenden
Kühnheiten und im milden Glanz der prachtvoll aufspielenden Philharmoniker
zu blühendem Leben.Aus dem gut abgestimmten Solistenquintett stechen
der klare Sopran von Ildigó Raimondi und der stilsichere Tenor von
Christoph Prégardien hervor, die Sängerknaben waren in Stimmfrische
und Einsatzfreude kaum wiederzuerkennen, und auch die Herren Staatsopernsänger
brachten stimmliche Qualität und sorgsame Anpassungsfähigkeit souverän
auf einen Nenner.(......) ghjk
Stuttgarter
Nachrichten 09.11.2002
Wie einen Altar hat András
Schiff ein Orgelpositiv in die Podiumsmitte gestellt, eine Partitur der Bachschen
Matthäuspassion von der Größe einer Prachtbibel darauf gelegt
und die SWR-Musiker um sich gruppiert wie die Jünger bei der Bergpredigt.
Bei Rezitativen drückt er Akkorde in die Tasten. Ansonsten aber rudert
er im Glück über Hall und Widerhall aus Kehlen und Instrumenten.
Der ungarische Pianist erfüllt sich mit dieser Matthäuspassion im
Stuttgarter Hegelsaal einen Lebenstraum. Mögen die Anhänger der
historisch orientierten Sparbesetzungen nun die Köpfe schütteln:
auch das sinfonische Gegenbild zur Klangknauserei hat in unseren Tagen seine
Berechtigung, wenn es sich nicht im romantischen Überschwang auf dem
Podium vergreift.
Wie man diese Positionen zusammenspannt, zeigte der 67-jährige Tenor
Peter Schreier als Evangelist. Er sang auswendig, intensiv textbezogen und
ausdrucksstark und überraschte all jene, die um seine Stimme gefürchtet
hatten. Sie reagierte bis auf kleine Abstriche in der Höhenschwerelosigkeit
biegsam und farbenreich. Peter Schreier ist als Evangelist eine künstlerische
Instanz geblieben. Fast im Sinne einer Wahlverwandtschaft fügte sich
Dieter Henschel in der Jesus-Partie hinzu, kämpferisch und schlicht zugleich
mit feinsten Tönungen der Resignation. (.....) Deutlich machte dieser
Abend aber auch, dass für das SWR-Vokalensemble und das Radio-Sinfonieorchester
Stuttgart die Rückkehr ins barocke Schmerzzentrum mit Bach durchaus geboten
war. Wenn man diese Epoche zu lange den Spezialisten überlässt,
gehen Stilsicherheit und Selbstbewusstsein verloren. (........) So wurde der
Strom von Lebensimpulsen aus den Händen des András Schiff nicht
in samtseidene Bußfertigkeit umgesetzt, sondern in ein großzügig
konzipiertes barockes Hördrama. E.S.
Neue
Zürcher Zeitung / NZZ Online 08.11.2002
András Schiff
and Friends
Bachs «Matthäuspassion»
in Zürich
Nein, es ist kein Druckfehler:
Der Dirigent der Aufführung von Bachs «Matthäuspassion»
in der Tonhalle Zürich heisst András Schiff. Was bewegt den weltberühmten
Pianisten zu diesem Rollentausch? Im Programmheft kann man die rührende
Geschichte nachlesen: Nachdem Schiff vor zwei Jahren in Ittingen das SWR-Vokalensemble
dirigiert hatte, habe er den Wunsch geäussert, mit diesem Chor einmal
die «Matthäuspassion», sein Lieblingswerk, aufführen
zu dürfen. Und nun hat man ihm diesen Wunsch erfüllt und ihn erst
noch bei den übrigen Ausführenden mitbestimmen lassen. Die Schlüsselrolle
des Evangelisten war mit Peter Schreier hervorragend besetzt. Der 67-jährige
Tenor interpretiert die Rolle, in der Tradition Ernst Häfligers, nach
wie vor ergreifend und zugleich ergriffen. Da gibt es keine Distanz, sondern
da ist in jeder Phrase höchste Anteilnahme am Leidensgeschehen festzustellen.
Auch Dietrich Henschel in der Partie des Jesus liess seinen Emotionen freien
Lauf. Doch im Unterschied zu Schreier war bei ihm alles zu vordergründig,
zu unausgereift; für die Arien wirkte sein fundamentaler Bass häufig
zu überladen und zu theatralisch. (.....) Die Ausdrucksdichte, die Ziesak
beispielsweise in der Arie «Aus Liebe will mein Heiland sterben»
mit ihrer schlanken und unaufdringlichen Stimme herbeizauberte, und das bei
diesem langsamen Tempo, verdient grosse Bewunderung. Dass
Schiff kein Dirigent sei, sagt er im einleitenden Interview des Texthefts
selber, und wenn man ihn dirigieren sieht, glaubt man ihm das ohne weiteres.
Was er besitzt, ist ein Feu sacré, das auf die Mitbeteiligten übergreift.
Und er hatte ein erkennbares, wenn auch anfechtbares Konzept: subjektive Deutung
der Erzählung, dramatische Interventionen in den Volkschören, romantisches
Schwärmen in den Chorälen und mystische Versenkung in den Arien.
Aber es gelang ihm nicht, seine Intentionen im technischen Sinn zu übertragen.
Er ist ein Generalist, der sich lieber um die grosse Linie als um die Details
kümmert. (.....) T.S.
Peter Schreier: Schemellis Gesangbuch in Alzenau.
Zeichnung/drawing: Tobias Schnotale, 28/10/2002.
St.
Galler Tagblatt 29.10.2002
Kunst der Tiefgründigkeit
Peter Schreier in Ittingen
Warth. (........) Voll
besetzt die Remise, als Peter Schreier mit Hansjörg Albrecht (Orgelpositiv/Cembalo)
zur musik-literarischen Horizonterweiterung einen betont stillen Beitrag leistete,
mit 21 ausgewählten geistlichen Liedern und Arien aus Georg Christian
Schemellis «Musicalischem Gesang-Buch» (1736). (.....) In Ittingen
ruhte Schreiers Kunst auf dem singulären Vermögen, die kleingliedrigen
Formulierungen «redend» auszusingen. Damit entzieht sich Zuhörern
eine gültige Beurteilung, inwieweit sich dieser Tenor von seiner einstigen
glanzvollen Ära entfernt hat. Man müsse wissen, so ein Besucher,
wann man aufzuhören habe. Dem kann man sich nur bedingt anschliessen,
denn die von Bach mit beziffertem Bass versehenen geistlichen Lieder und Arien,
davon gerade drei, die dem Komponisten nachweislich zugeschrieben werden,
verlangen eben das «redende» Singen. (.......) Das Massstäbliche
einer Darstellung hat sich Peter Schreier jedenfalls erhalten. Er vermittelt
textbezogen, stellvertretend für Menschen des Barock-Zeitalters, die
gläubige Zuversicht, sehnsüchtiges Verlangen nach Gott zu Papier
brachten. «Gott lebet noch! Seele, was verzagst du doch?» Das
Auftakt-Beispiel für diese unerschütterliche Haltung, von Peter
Schreier mit den letzten vier Takten prononciert herausgestellt. Im Kontrast
dazu das piano genommene «O Jesulein süss, o Jesulein mild».
Mit Akzenten versehen das zweimalige «Halleluja» in «Jesus,
unser Trost und Leben». In angezogenem Tempo «Auf, auf! Mein Herz,
mit Freuden». Trauerarbeit Schreiers, als er das Seelenweh auf den chromatischen
Achteln, im Nachklang («Du zagst, du klagst») gedehnt erfüllte.
Ausdruck einer pessimistischen Niedergeschlagenheit stellte sich ein mit dem
abschliessenden Lied «Der Tag ist hin, die Sonne gehet nieder».
Und welch eine bewundernwerte, einfühlsame Assistenz durch Hansjörg
Albrecht, gefragt auf allen Ebenen kammermusikalischer Aktivitäten, wechselte
zwischen der Tastatur des Cembalo und der Orgel (Portativ). Er spielte sich
solo das Lob der Zuhörer mit der Chromatischen Fantasie und Fuge d-Moll
und den Duetten BWV (802-805, womit Bach Wegweiser auf zukünftiges, nahezu
modernes Komponieren aufgestellt hat. Und: So noch nie gehört: Das Andante
des Italienischen Konzerts F-Dur, das Albrecht im Zusammengehen von Cembalo
und Flötenregister der Orgel (für die Melodie) geradezu zelebrierte.
(.........) G.H.
Wiener
Zeitung 21.10.2002
In gewohnter Qualität
Brahms-Saal:
Peter Schreier, Tenor
Der wohl bedeutendste Tenor des deutschen Liedgesangs im 20. Jahrhundert
sang Beethoven (Ausgewähltes und den Liederkreis an die ferne Geliebte)
und Schubert (den "Schwanengesang"), denen ja auch ein wichtiger
Teil seiner künstlerischen Lebensarbeit galt und gilt. Dass die schon
gut und gerne vier Dezennien andauert, das ist für eine hohe Stimme das
beste Qualitätszeugnis. Die Kraft ist noch immer vorhanden, die Ausdrucksfähigkeit
eher noch gewachsen, an Schreiers Artikulationskunst kann man Deutsch lernen,
und wenn man hört, wie elastisch alles klingt, dann weiß man, dass
das nicht nur "Technik" sein kann. Ja, im Laufe des Abends wurde
der lyrische Tenor sogar merklich "jünger"! (.....)
Die
Presse 17.10.2002
Peter Schreier, Liederzähler
Brahmssaal:
Peter Schreier mit dem Pianisten Camillo Radicke und Liedern von Beethoven,
Schubert.
Wien. "Hörst du die Nachtigallen schlagen?/ Ach! Sie
flehen dich. Rühren mit den Silbertönen/ Jedes weiche Herz",
heißt es in Schuberts "Ständchen". Waren die "nahtegalen"
im Mittelalter die Minnesänger, so ist es in Schuberts Lied wohl auch
der Sänger, der die "Nachtigallen" imitiert, um erhört
zu werden. Um die Gunst des Publikums mußte Peter Schreier bei seinem
Beethoven und Schubert-Liederabend nicht lange werben. Aufmerksamkeit erlangte
der deutsche Tenor durch sein "Silbertönen": einen andächtig-zarten
Gesang, der den Abend zum Geschenk machte. Schreiers klare Sprache, sein selbstverständlicher
musikalischer Gestus - einfühlsam begleitet von Camillo Radickes - mündeten
in berührende Innerlichkeit. Jedes Geschehen konnte sich in stets ambivalenter
Stimmung entfalten, war trostlos und nüchtern, verzweifelt und heiter
zugleich. Schreiers Gesangeskunst wurde so zur intimen Erzählkunst. EKR
Dresdner Neueste Nachrichten 13.10.2002
Schmerz und Ausgestoßensein
Dresden. Er ist unendlich müde, unendlich verzweifelt und ohne jeden
Hoffnungsschimmer (selbst in den lichten Momenten des Zyklus) - der Wanderer
von Peter Schreier in Schuberts schauerlicher "Winterreise". Die
Hörer im überfüllten Saal des Dresdner Kulturrathauses wurden
mit hinein genommen in eine Welt, die nur aus Schmerz, Ausgestoßensein
und der unerfüllten Sehnsucht nach dem Ende zu bestehen schien.
Peter Schreiers nach wie vor ungetrübte gestalterische Fähigkeiten
- im musikalischen wie im Wort-Sinn - waren der Schlüssel zu einer Erlebnistiefe
sondergleichen. An seinen spezifischen stimmlichen Qualitäten gab es
nichts, aber auch gar nichts zu bemängeln - weder am edlen, höchst
kultivierten Timbre, noch am gerade für eine gültige Gestaltung
der "Winterreise" unerlässlichen Facettenreichtum der stimmlichen
Möglichkeiten. Es waren ihm keine Grenzen gesetzt. An seiner Seite Camillo
Radicke - ein Ausnahmepianist, der in der Schubertschen Farbgebung absolut
zu Hause ist und sich in einer Weise in einen Sänger hineindenken und
fühlen kann wie nur wenige.(......) Beide Künstler realisierten
schlicht und ergreifend den seelischen Verschleißprozeß des einsamen
Wanderers. Die nicht nur klimatische, sondern vor allem menschliche Kälte
wurde vom ersten Ton an nachvollziehbar. Schreier haderte mit sich, brachte
eine unglaublich tief lotende, nachvollziehbare Emotionalität zu Gehör.
(......) Jedes der vierundzwanzig Lieder schien durch die subtile gestalterische
Eindringlichkeit beider Künstler zur unverwechselbaren Kostbarkeit auf
dem Weg des Leidens zu werden.
Am Ende standen die Schwermut des "Wirtshauses", die visionären
"Nebensonnen" und der "Leiermann" - in dieser Schreierschen
Wiedergabe schmerzlich entrückt, beklemmend, wie in Trance. Es blieb
Camillo Radicke überlassen, ein letztes Mal die immer neu angesetzten
Figuren des Schlussliedes fein differenziert erklingen zu lassen und den Spannungsbogen
einer großen Interpretation zu schließen. M.H.
The Irish Times 08.10.2002
Die schöne Müllerin
Dublin.(.......)
Schreier and Schiff are old partners in this repertoire - they recorded the
song cycle together in the late 1980s - and Schreier's light-toned lyricism
seems totally apt for the style of the music. At the NCH, however, Schiff
didn't seem to be entirely at one with the often delicately-expressed manner
of the singing. It may sound surprising, but there were times when the piano-playing
strayed beyond the range of independently-minded partnership and into an area
better suited to soloistic display. There were moments when the spirit of
the late Shura Cherkassky could almost have been flitting around, seeking
out those strange perspectives and inner voices which he so loved to highlight,
irrespective of their musical cogency. Schiff's playing was, of course, at
all times impeccably polished, although the music-making did become distracting
in the face of the self-restraint of Schreier's delivery. Schreier is now
in his late 60s, but the voice, which is quite small, is miraculously well-preserved.
Only some moments of climactic stress and a whitening of tone on high notes
reminded one of the inescapable passing of the years. His manner was easy
and engaging, never over-dramatised. The joys and sorrows of the young miller,
and his ultimate, watery demise, were communicated with a sort of sober clarity
that was particularly affecting, perhaps in part because of the very nature
of its special reserve. M.D.
Trierischer
Volksfreund /
Intrinet
30.09.2002
Wenn die Seele jubiliert
Peter Schreier
zu Gast im Hunsrück
KLEINICH. Voll besetzt war die evangelische Kirche in Kleinich, als die
Moselfestwochen zu einem Konzert mit dem Tenor Peter Schreier geladen hatte.
Ihm zur Seite stand der Organist Hansjörg Albrecht.(......) Auf dem Programm
standen insgesamt 21 Lieder aus dem "Musicalischen Gesang-Buch",
das 1736 von Georg Christian Schemelli in Leipzig herausgegeben wurde. Schreier
zur Seite stand der junge, im sächsischen Freiberg geborene Organist
Hansjörg Albrecht. (......) Eigentlich ist die Stummorgel der Kleinicher
Kirche für die Interpretation dieses Werkes nicht geeignet. Natürlich
gab es vom klanglichen Geschehen her für den aufmerksamen Hörer
einige Brüche in der Interpretation, alleine schon wegen des fehlenden
Bassfundamentes. Wenn man aber bedenkt, wie viele Noten Albrecht der Not gehorchend
zusätzlich in sein ohnehin schon sehr komplexes Manualspiel hinein nehmen
musste, konnte man bei seinem auch stilistisch äußerst beeindruckenden
Spiel nur noch bewundernd den Hut ziehen. Schreier eröffnete dem Publikum
eine tiefe Einsicht in Bachs Glaubenswelt, da er auf Grund seiner großen
Erfahrung mit der Musik des Meisters Einzelheiten in dessen Werken herausarbeitet,
die manchem noch gar nicht aufgefallen sein mögen. Wenn er das Lied "Eins
ist not! Ach Herr, dies eine" (BWV 453) vorträgt, wird die Theorie
der lutherischen Rechtfertigungslehre so überzeugend deutlich, dass jedweder
Theologenstreit über dieses Thema verblassen muss. Wenn er in "Auf,
auf! Mein Herz, mit Freuden" (BWV 441) das Ostergeschehen besingt, dann
spricht aus seinem Vortrag wirkliche Osterfreude, bei dem die gläubige
Seele jubiliert. Schreier und Albrecht sind beide optimal aufeinander eingestimmt.
Optimal unterstützte der Organist mit seinen mit Bedacht gewählten
Registrierungen die Vorträge des Tenors. Ein großes, beeindruckendes
Konzert, in dem Peter Schreier unter Beweis stellte, dass er nach wie vor
einer der großen Bachinterpreten ist. GKL
Weser
Kurier 18.09.2002
Eine Wanderung
zum Tod
Peter Schreier und András Schiff interpretieren Die Winterreise
Oldenburg. Der Mann ist ein Phänomen. Obwohl sich seine Lebenskurve am
Ende des sechsten Jahrzehnts zuneigt, offenbart Peter Schreiers Stimme nicht
die geringste Blessur. Im Gegenteil: Sie wahrt noch immer ein jugendliches
Timbre, gehorcht jedem Nuancierungswunsch, dehnt sich dynamisch von strahlenden
Fortehöhen bis hinunter zu pianissimo ersterbender Tiefe ohne Einbußen
des Wohllautes und sie kann im Glücksgefühl mühelos strömen
und in der zornigen Attacke scharf artikulieren. Da die Behändigkeit
der Wortbehandlung zudem von hohem Kunstverstand gesteuert wird, sind die
besten Voraussetzungen für eine Wiedergabe der Winterreise
gegeben, weshalb die Musikalische Reise des Bremer Musikfestes
ins Oldenburger Schloss sicher zu den Höhepunkten der diesjährigen
Veranstaltungsreihe zu zählen ist. Nicht zuletzt auch deshalb, weil der
Weltklasse-Pianist András Schiff mit dem Sänger eine superbe interpretatorische
Ehe einging.
Peter Schreier kündet nicht von einer Winterkatastrophe, sondern begibt
sich auf eine Winterreise: Er ist gleichzeitig Beobachter und Teilnehmer,
ein zum Erinnern gezwungener junger Mann, dessen Glück und dessen Schmerz
in die Vergangenheit gebannt sind. Deshalb rührt Schreiers Interpretation
der schauerlichen Lieder Schuberts besonders dann an, wenn das
Träumen oder das Beschwören ehemaligen Liebesglücks plötzlich
auch die Bitterkeit, den Zorn und den Trotz herausfordert, also die schlecht
verheilten Wunden erneut aufreißt (Wasserflut, Post,
Frühlingstraum). Andererseits verweisen die Erinnerungen
des Elenden auch Stellen auf, an denen Melodien erklingen, für dessen
Innigkeit kein Adjektiv zur Verfügung steht. Dann entfaltet Schreiers
Tenor Vokalfärbungen, Konsonantenschärfen und eine Unzahl von Nuancen,
allesamt Vorzüge, die sich mit dem stimmlichen Wohllaut und der nie vernachlässigten
Binnenzeichnung so verbinden, dass sich der Hörer solch vollendeter Lied-gestaltung
bedingungslos ergeben muss (Rückblick, Die Post).
Neben der mühelos geformten Natürlichkeit (Der Lindenbaum),
neben der monologischen Intensität (Der greise Kopf) verstärkt
sich die Suggestion noch mehr, wenn der Wanderer die Gewitter der gegensätzlichen
Emotionen hinter sich gelassen hat und den Tod nicht nur vor sich sieht, sondern
ihn herbeisehnt (Im Dorfe, Der Wegweiser, Das
Wirtshaus). Die Wirkung verstärkt sich noch beim Erleben der letzten
Einsamkeit auf dem Weg in eine heil- und illusionslose Welt (Die Nebensonnen,
Der Leiermann), zumal Schreier dann auch mehr und mehr fahle,
matte, verstörte Valeurs in seinen Gesang mischt.
Die Intimität der Schubertschen Lebensbilanz stützt András
Schiff vom Flügel her. Er spielt nie zu laut, er spielt keinen Ton leblos.
Zudem ist er ein sublimer Beleuchtungsregisseur, der dank seiner ausgereiften
Anschlagskultur die Genauigikeit der Details zu beschwören vermag. Und
da er mit kristallener Klarheit, Hellsichtigkeit und poetischem Mitgefühl
den musikalischen Text formuliert, ist er dem Sänger nicht nur Begleitung,
sondern ein ebenbürtiger Partner.
Nach gebührendem Schweigen Riesenapplaus. S.N.
Die
Tageszeitung (TAZ Bremen) 17.09.2002
Der Schwan im Löwen
Peter Schreier und András Schiff auf dem Musikfest: Schubert vom
Feinsten
Bremen. Kammermusik ist großartig. Auch, wenn sie in Räumen stattfindet,
die weniger von Intimität als durch beeindruckende Pracht geprägt
sind - wie die Bremer Rathaushalle und der Theatersaal des Oldenburger Schlosses.
Dort waren Peter Schreier und András Schiff mit zwei Schubert-Abenden
(im Rahmen des Musikfestes) zu hören. In Oldenburg gab's die "Winterreise",
in Bremen Schuberts "Schwanengesang". Natürlich war es kein
ganz junger Schwan mehr, dem Peter Schreier seine Stimme lieh. Der Sachse
gleicht - äußerlich - eher einem ergrauten Löwen. Seine Stimme
aber hat eine Elastizität und Leichtigkeit, über die man nur staunen
kann. So einer kann auch mit 67 noch von "säuselnden Lüften,
wehend so mild" beziehungsweise "blumigen Düften atmend erfüllt"
singen, ohne befremdlich zu wirken. Immer noch ist die Höhe für
ihn ein Zuhause, in dem er sich hörbar wohl fühlt, immer noch ist
der Mozartversierte für einen kleinen Triller hier und einen charmanten
Praller dort zu haben: Eine Stimme, der auch die dünne Luft im immer
noch halb eingehüllten Rathaussaal nichts von ihrer raumgreifenden Schwingung
nehmen konnte. (........) H.B.
Neue Vorarlberger Tageszeitung 10.09.2002
Schubertiade-Abschluss
mit Peter Schreier
Peter Schreier gestaltete
mit Camillo Radicke am Klavier den Abschlussabend der Schubertiade.
Schwarzenberg.
Lieder von Beethoven scheinen mit ihren feinen und doch energiereichen Melodien
wie geschaffen zu sein für die Stimme Peter Schreiers. Sein hell-timbrierter
Tenor spürte den kleinsten Regungen aufs sensibelste nach, sei es die
Emphase der "Adelaide", sei es die fast deklamatorische Rubatofreudigkeit
des "Mailiedes" und der "Zärtlichen Liebe". Diese
subtilste Emotionalität setzte sich fort in den Zyklus "An die ferne
Geliebte", und da staunte das Publikum auch über die große
Linie, die Schreier vom ersten bis zum letzten Takt durchzuhalten vermochte.
Der junge Camillo Radicke am Klavier war hier wie den ganzen Abend lang ein
echter Mitgestalter, erschuf an seinem Flügel plausible Klangbilder,
erzählte mit jedem Ton vom prallen Leben.
Mit Liedern aus Schuberts "Schwanengesang" begaben sich die beiden
dann in Stimmungen von Abschied, Sehnsucht, auch Resignation. Dabei wählte
der Sänger - etwa in "Kriegers Ahnung" oder "In der Ferne"
- zuweilen matte Tonfarben. Die lichteren Lieder, wie zum Bespiel "Liebesbotschaft"
vermag er mit unnachahmlicher Leichtigkeit zu erfüllen, und da entfaltet
der Mittsechziger auch immer wieder einen echt jungenhaften Schalk. Eine magische
Kraft, wie man sie selbst auf dem Niveau der Schubertiade selten hört,
hatten die tieflotenden Liebeslieder der abschließenden Gruppe der Heine-Lieder
aus dem "Schwanengesang". Das begeisterte Publikum wurde mit zwei
Beethoven-Zugaben belohnt. A.M.
Neue
Vorarlberger Tageszeitung 08.09.2002
Lauter Publikumslieblinge
Prominent besetzt war
der Freitagnachmittag bei der Schubertiade. Es erklangen die "Liebesliederwalzer"
von Brahms und Schumanns "Spanische Liebeslieder".
Schwarzenberg. Wie für ein Bild fürs Familienalbum der Schubertiade
reihten sich die Publikumslieblinge: Juliane Banse, Peter Schreier, Olaf Bär,
dazu die Pianisten Helmut Deutsch und Wolfram Rieger, traten an. Zum Gesangquartett
wurden sie ergänzt durch die Mezzosopranistin Bernarda Fink, die heuer
im Juni ihr Schubertiade-Debut gegeben hatte, andernorts vor allem als Oratoriensängerin
und Interpretin Alter Musik einen klingenden Namen hat. In diesem prominenten
Ensemble vermochte Fink zu brillieren, hatte sie doch von allen vier Sängerinnen,
die da standen, die reinste Stimme und die überzeugendste Phrasierungskunst.
Juliane Banses Sopran klang recht kehlig, und Olaf Bär vermochte in seinen
Soli nicht immer die ideale Linie zu finden. Die hatte Peter Schreier sehr
wohl, er bezauberte das Publikum auch durch seinen feinsinnigen Charme, der
durchaus zu Klang werden kann. Und mit vielsagendem Mienenspiel waren alle
vier sehr erfolgreich um Liebenswürdigkeit bemüht. (..........)
A.M.
Stuttgarter
Zeitung 01.08.2002
Glaubwürdige
Aussage
Peter Schreier
mit Bach-Liedern in Schwäbisch Gmünd
Geistliche Musik von Johann Sebastian Bach - da fällt unsereinem
in Deutschland eigentlich nur ein Name ein, speziell, wenn nach Bach-Tenören
gefragt wird. Jahrzehntelang war Peter Schreier der deutsche Vertreter in
Sachen Bach-Gesang. Seine Interpretationen der Passionen und der Evangelistenpartien
im Weihnachtsoratorium waren maßstabsetzend. Nachdem er nun seit einigen
Jahren schon den Zenit seiner sängerischen Karriere überschritten
hat, ließ er jetzt in der voll besetzten Augustinuskirche in Schwäbisch
Gmünd noch einmal aufhorchen. (......) Mit einer Auswahl aus Schemellis
Gesangbuch, jenem Sammelsurium geistlicher Lieder und Arien, an denen Johann
Sebastian Bach verbessernd Hand anlegte, teilweise auch neu komponierte, gastierte
Schreier beim Festival Europäische Kirchenmusik in Schwäbisch Gmünd,
wo ihm vor zwei Jahren der Preis der Europäischen Kirchenmusik verliehen
worden war. Mit dem dreißigjährigen Hansjörg Albrecht stand
ihm an diesem Abend ein fantasievoller Partner zur Seite, der mal am Cembalo,
mal am Orgelpositiv spielfreudig, aber nicht aufdringlich den schlichten Generalbassliedern
Leben einhauchte. Fantasievoll, lebendig und technisch makellos ist ebenfalls
sein solistisches Orgelspiel. (......) Fantasievoll
geht er mit dem musikalischen Material des Schemelli-Gesangbuchs um, er sucht
nach zentralen Aussagen und verkörpert diese dank weiter dynamischer
Palette, Reichtum an Klangfarben und makelloser Intonation glaubwürdig.
Das ist es vielleicht, was ihn - nach wie vor - auszeichnet: die Glaubwürdigkeit.
(........) M.D.
Freie
Presse 04.07.2002
Makellos erstrahlt der
schlanke Tenorton
Begeisternder
Liederabend Peter Schreiers innerhalb des Festes Alter Musik in der St.-Marien-Kirche
von Marienberg
Obwohl die geistlichen Lieder und Arien aus Schemellis Gesangbuch"
nur unter Musikkennern bekannt sein dürften, fand das gleichermaßen
betitelte Konzert am Mittwoch in Marienberg außergewöhnlichen Zuspruch.
Im großen Schiff der Kirche St. Marien waren nahezu alle Plätze
besetzt. Kein Wunder auch, denn interpretiert wurden die Gesänge aus
dem frühen 18. Jahrhundert von Peter Schreier. (.....) Nach wie vor ist
die Anziehungskraft dieses Sängers ungebrochen, so wie auch Schönheit
und Ausdruckskraft seiner Stimme außerhalb jeden Zweifels stehen. Dieser
schlanke Tenorton erstrahlt wie einst in den jungen Jahren Peter Schreiers
immer noch makellos in der Höhe, ist ausgeglichen in den Registern, geschmeidig
in der Tonführung und deutlich in der Aussprache ohnegleichen. Auch wenn
die religiösen Texte der 21 Lieder und Arien teilweise recht wehleidig,
verzagt oder frömmelnd angelegt waren, ließ sich Peter Schreier
durch nichts zu Theatralik oder Schwärmerei hinreißen. Bei seinem
Vortrag blieb alles schlicht und nur gewisse Nuancen hob er dezent heraus,
wenn die Rede war von Seelenweh, von der Erwartung des Todes oder
einer freudigen Öffnung der Herzen. (....) Besonders kostbar wurde die
Auswahl daraus im Marienberger Konzert allerdings erst durch die Interpretation
von Peter Schreier und Hansjörg Albrecht (Cembalo und Orgelpositiv),
denn Bach hatte auch den Begleitpart mit vielen, mit wesentlichen musikalischen
Figuren ausgestattet. In dieser Einheit von Gesang und Begleitung erschloss
sich nun unmittelbar der unterschiedliche Stimmungsgehalt aller Lieder und
Arien, zumal sie Peter Schreier auch dramaturgisch sehr sinnvoll angeordnet
hatte, unabhängig von ihrer Stellung im Werkverzeichnis. (.....) W.K.
Märkische
Allgemeine 26.06.2002
Schumann unter Posaunenbläsern
Peter Schreier
sang in der Stiftskirche Neuzelle
Seit langem zeigen die
Brandenburgischen Sommerkonzerte, wie Musikkultur in Privatinitiative gepflegt
werden kann. Das vierte Konzert dieser Saison führte die "Klassiker
auf Landpartie" in die Stiftskirche Neuzelle zu einem Liederabend mit
Peter Schreier. Der Tenor brachte Schumanns Liederzyklen "Dichterliebe"
von Heinrich Heine und "Liederkreis" von Joseph Eichendorff zum
Vortrag. Sie sind mit Schuberts "Winterreise" und "Die schöne
Müllerin" die bedeutendsten Liedersammlungen der Romatik. Peter
Schreier trug dem Rechnung und zeigte sich als hervorragender Interpret. Jede
Zeile, jedes Wort vermochte er mit Spannung und Emotion zu füllen. Nur
die gesangstechnisch anspruchsvolleren Eichendorff-Lieder zeigten hier und
da, dass die extremen Lagen nicht immer ganz präsent sind. Angesichts
der Reife im Ausdruck und Gespür für die dramatische Ausdeutung
bleibt dies jedoch eine zu vernachlässigende Größe. Begleitet
wurde Schreier von dem jungen Pianisten Alexander Schmalcz. Mit klarem Ton
und Licht-perlenden Arpeggien verlieh er Liedern wie "Die Rose, die Lilie"
beschwingte Leichtigkeit. In "Die alten bösen Lieder" ließen
erdig schwere Akkorde das Herz erschauern. Hier
haben sich zwei wahre Romantiker gefunden. Der Sparsamkeit mancher Heine-Gedichte
und den knappen Akkorden, verliehen Sänger und Pianist eine knisternde
Spannung. Genau besehen ist es freilich antagonistisch, ein solches Programm
in dieser barock überladenen Kirche aufzuführen. (.......) Den
Veranstaltern ist es hoch anzurechnen, dass sie sich außerordentlich
um ihr Publikum bemühen. So blickten die Apostel, Engel und Posaunenbläser
der prunkvollen barocken Stiftskirche auf ein voll besetztes Kirchenschiff
herab.
Vorarlberger
Nachrichten 22.06.2002
Der "Goethe"
unter den Tenören /
Peter Schreier wieder umjubelt
Schwarzenberg. Er hält sich seit Anbeginn der Schubertiade
dem Festival die Treue, seine internationale Fangemeinde ist ihm ebenso unverbrüchlich
treu - Kammersänger Peter Schreier, der legendäre deutsche Tenor,
der sich von der Opernbühne verabschiedet hat, jedoch mit exquisiten
Liederabenden weiterhin sein Publikum beglücket. (......) Und wenn der
Tenor mit unverminderter stimmlicher und interpretatotrischer Meisterschaft
die berühmtesten Goethe/Schiller-Lieder singt, dann liegt die Assoziation
nahe, ihn vielleicht auch als "Olympier", als "Goethe"
unter den großen Tenören zu apostrophieren. Der Einsatz seiner
berühmten Stimme ist immer noch technisch makellos; jedes Lied ist eine
eigene, emotionell höchst differenzierte Seelenlandschaft, und Schreiers
Textbehandlung - gerade bei Goehte - stellt, abgesehen von der Genialität
der Schubert'schen Melodien, auch einen hohen literarischen Genuss dar. Einige
Lieder seien exemplarisch erwähnt: Die drängende "Rastlose
Liebe", die natürliche Schlichtheit des "Heidenrösleins",
der expressive "Ganymed", wunderbar verschmitzt "Geheimes",
mit getragenem Ernst die "Gesänge des Harfners", als mitreißend
vitaler Kontrast der beliebte "Musensohn". Nach der Pause blitzten
weitere Liedperlen auf - nach Texten von Rückert (z.b. "Du bist
die Ruh"), Collin, Uhland ("Frühlingsglaube"), Lappe ("Im
Abendrot"), Schubart ("Die Forelle") und Rellstab, etwa das
wunderschönen "Ständchen".
Diesmal begeleitete (sehr sensibel) schon wieder ein neuer Pianist der großen
Sänger - das ehemalige Kreuzchor-Mitglied Alexander Schmalcz, der inzwischen
international Karriere macht. Schreier ist bekannt dafür, dass fast bei
jedem Konzert ein neuer "Mitgestalter" am Flügel sitzt (.....). "Ich möchte erstens immer wieder jungen Talenten eine Chanche
geben, und zweitens profitiere auch ich immer noch von frischen Anregungen
duch den Pianisten". In einem anderen Punkt, der die nachfolgende
Sängergeneration betrifft, winkt er ab. In Schwarzenberg wurde schon
öfters der Wunsch nach einem Meisterkurs laut. Schreier: "Das
wird nie geschehen, da hätte ich viel zu wenig Geduld!" Übrigens
- eine hübsche Pointe ist, dass der Meister jetzt eine Nacht in Feldkirch
und eine in Schwarzenberg geschlafen hat. Ein reifer "Goethe" darf
ja auch ein bisschen nostalgisch sein.....
Turun
Sanomat 17.06.2002
Näkemyksellistä
motettitaidetta
Naantali. Bachin kuudesta motetista - joista eräiden alkuperä tosin
on epäselvä - sukeutuu hieno konserttikokonaisuus, yleisölle
nautinnollinen ja esittäjille haastava. Haastavuus perustuu laulajien
näkökulmasta hankalahkoon satsiin - Bachin pitkät melismat
ovat enemmän instrumentaalisesti kuin vokaalimusiikin näkökulmasta
kirjoitettu ja sellaisina jotensakin ongelmalliset toteuttaa. Kapellimestarilta
edellytetään puolestaan jämäkkää ja syvällistä
suhdetta teksteihin, musiikin polyfoniaan ja lukemattomiin mikrotason finesseihin.
(.......) Schreierin tulkinnallinen ote huokuu kokemusta, pohdiskelua, musiikin
syvärakenteen tuntemusta. Ratkaisut ovat perusteltuja ja eläviä,
esimerkillisellä tavalla tekstiä tukevia. Avausnumerossa kuultiin
lukuisia rohkeita tulkinnallisia eleitä, kuten kulmakasta aksentointia,
teräväpiirteistä polfonian jäsentelyä ja kipakkaa
terassidynamiikkaa. Esitysvarmuus oli huippuluokkaa. Esimerkiksi teoksen päätöksen
äkkijyrkkä temponvaihdos toteutui näytöstyyliin - presto-tempo
ampaisi liikkeelle kuin rusakko kyykystä. (........) Vakuuttavimpana
pidin nimenomaan viimeisen motetin esitystä. Kapellimestari Schreier
antoi sijaa romanttisvivahteiselle maalailulle esimerkiksi legaton käytössä
ja dynamiikan laveudessa. Kakkososassa Schreier otti kaiken irti agogiikasta.
Osalle ei vakiintunut mitään perustempoa vaan nopeus vaihteli taite
taitteelta pohdiskelevan tunnelman mukaisesti. Lopputuloksena on eräänlaista
musiikillista proosaa, tekstiin symbioottisesti nivoutunutta vapaata sävelajattelua.
Kukin moteteista alkoi urkujen lyhyellä johdannolla, jossa vakiinnutettiin
teoksen sävellaji ja rytmismelodinen perustunnelma. Urkuri Hansjörg
Albrecht ja gambisti Markku Luolajan-Mikkola soittivat continuo-osuudet luotettavasti.
ML.
Offenbach-Post
11.06.2002
Erbauliche Lieder intensiv gesungen
In Heusenstamms Balthasar-Neumann-Kirche
St. Cäcilia sang Peter Schreier, legendärer Ex-Kruzianer und Bach-Tenor,
eine Auswahl aus dem Gesangbuch. Recht Unterschiedliches ist da vereint: Liedmäßiges
und Arienhaftes, Tänzerisch-Galantes und pathetischer Schwulst, pietistische
Schäferlyrik und Jesusminne. Schreier wusste die stilistischen Unterschiede
auszuloten, der Tonlage des Textes nachzuspüren und die religiöse
Aussage glaubhaft wiederzugeben. Den erbaulichen Miniaturen widmete er die
gleiche Sorgfalt wie jedem Kunstlied der Romantik oder einer dramatischen
Arie. Jede Zeile, jede Strophe war in Dynamik, Tempo und Artikulation individuell
gestaltet, jedes Wort verständlich. Die Melodien zierte der Sänger
variantenreich aus.Schreiers Stimme hat naturgemäß an Beweglichkeit,
Klarheit und Mühelosigkeit in der Höhe verloren, doch noch immer
kann sie sich zu strahlend hohem Register steigern, verfügt der Tenor
über ein makelloses Piano, über schlankes, weiches und dennoch konturiertes
Timbre. Schlichtheit und Innigkeit bestimmten die Wiedergabe, der poetische
Überschwang ließ sie nie ins Süßliche gleiten. Sein
junger Begleiter Hansjörg Albrecht, der neuerdings häufig mit Schreier
auftritt, beherrschte souverän die Kunst improvisatorischer Ausführung
des nur "stenografisch" vorgegebenen Accompagnements. Je nach Liedcharakter
begleitete er auf Orgelpositiv oder Cembalo mit unterschiedlich reicher Ausgestaltung.
Das Zusammenwirken der perfekt aufeinander eingespielten Künstler machte
die Lieder zu Kabinettstückchen.Der sächsische Organist und Cembalist,
ebenfalls im Kreuzchor ausgebildet und Schüler des Franzosen Thierry
Mechler, spielte zwischen zwei Liedblöcken auf dem Cembalo die Chromatische
Fantasie und Fuge d-moll BWV 903, sowohl die arpeggienreiche, harmonisch kühne
Fantasie als auch die ungewöhnlich lange Fuge mit höchster Virtuosität.
E.S.
Politiken
23.04.2002
Sjov med Johann Sebastian
Radiosymfoniorkestret
og solister
København. Hvor
herligt! At more sig sammen med gode solister i anledning af to verdslige
Bachkantater. Det er ikke et repertoire, vi tit får at høre,
selv om bryllupskantaten 'Weichet nur betrübte Schatten' er et kendt
værk. Sopranen Lisa Larsson var en fin oplevelse som solist. (.....)
Efter pausen kom salen op af de læderbetrukne. Her gjorde et større
solisthold sin entré, og denne gang snakker vi sangere. Anledningen
var den mytologiske kantate 'Striden mellem Phoebus og Pan', der lader Phoebus
Apollon og skovguden Pan stille op til sangerdyst i et rigtigt dramma per
musica. (......) Jeg nød i øvrigt Schreiers udmærkede
Bach. Han får ikke barokken til at kradse så meget, som nogle
af de mere rabiate barokfolk, selv om han da pointerede skingre violiner til
understregning af Midas dårlige gehør, som sikrer ham æselører.
Men han fik de to kantater til at synge ganske fint. Derimod
var jeg ikke rigtig tryg i begyndelsen af koncerten. Hornisterne David Palmquist
og Leif Lind boblede det bedste, de havde lært på deres uriasposter,
mens verdenstenoren Schreier viste, hvad han duer til på sin prominente
retrætepost som dirigent med speciale i Bach. Men trods respektindgydende
indsatser fra de rødhovede blæsere var der noget usikkert over
den første af Bachs seks Brandenburgkoncerter, der med sine fire satser
kammer fra italiensk over i fransk barok med en afsluttende menuet, der afbrydes
både af slanke blæsertrioer og en polonaise. Intet af det kunne
læses ud af koncertprogrammet, som ingen satstitler indeholdt. Stærkt
forvirrende for dem, der ikke lige kan deres Bach på fingrene. Og helt
personligt irriterende for undertegnede, der trods det, at han ikke har været
ansat ved DR siden nytår, fortsat må finde sig i at figurere med
navns nævnelse som redaktør af koncertprogrammer, han intet har
med at gøre. Den var til orkesterchefen. (Th.M.)
Pforzheimer
Zeitung 09.04.2002
Prägnante Gestaltungskraft
In der Reihe
"Musik aus Dresden" hatte die evangelische Kirche Birkenfeld am
Sonntagabend einen illustren Künstler zu Gast: den Tenor Peter Schreier.
Keine spektakulären Arien oder geistliche Konzerte standen auf dem
Programm, sondern jene Perle evangelischer Choralliteratur, die als Schemellis
Gesangbuch bekannt ist. Wie es in der originalen Vorrede so schön heißt,
sind in diesem Gesangbuch "geistreiche, sowohl alte als neue Lieder und
Arien mit wohlgesetztem Diskant und Bass befindlich", Herausgeber Georg
Christian Schemelli, Leipzig 1736. Nun sind diese Lieder und Arien keinesfalls
einfaches Gesangsgut, sie spiegeln vielfache, mit barocker Sprachgewalt ausgeschmückte
Seelenregungen wider, und der jeweilige Interpret, wenn er es denn künstlerisch
auffasst, hat da ein weites Feld der Nuancen. Man konnte es von Peter Schreier
zu Recht erwarten, dass er hier seine ganze Erfahrung, sein sensibles künstlerisches
Verständnis und eine vielfältige Ausdrucksweise einbringen würde.
Das war denn auch das markante Merkmal dieses Konzertabends, die prägnante
Gestaltungskraft und Variabilität. Dabei war der Cembalist und Organist
Hansjörg Albrecht, ebenfalls aus dem Dresdener Kreuzchor hervorgegangen,
ein mehr als adäquater Partner, sensibel auf jede Nuance eingehend, dabei
von exzellentem musikalischen Verständnis. Zwei Musikergenerationen waren
hier zu erleben, aber ein Geist und zwei überdurchschnittliche Künstler.
Peter Schreier kann diese stillen oder beschwingten, sieghaften oder todessehnsüchtigen
Lieder gestalten, er kann mit Tempowechsel und Verzierungen die einzelnen
Strophen zu dramatischer Gewalt oder ganz stiller Meditation führen,
seine Sprache ist bis ins Kleinste zu verstehen, wenn auch der älter
gewordene Künstler manchem eine neue stimmliche Gestalt geben muss. Aus
dem gnadenlos hellen Timbre der Stimme ist eine sonore Mittellage geworden,
die gleichwohl klangreich und weittragend bleibt oder im zarten Piano verklingen
kann. Die reiche Palette seiner Farben gab gerade jenen von J. S. Bach gesetzten
Liedern ein beglückendes Spektrum und vertiefte die geistliche Aussage
der Texte. Nicht nur als großartiger Begleiter am Cembalo hörte
man Hansjörg Albrecht, er erfreute die Hörer ebenso mit drei Orgelwerken
von J. S. Bach. (.....) E.N.
Hufvudstadsbladet
25.03.2002
Passionen blev nästan
opera
Johannespassionen.
Nationaloperans stora scen 23.3.
Helsinki. Johann Sebastian Bach komponerade ingen opera men i sina passioner
kom han så tätt intill operaformen att det ligger nära till
hands att göra dem sceniskt. Intrigen, om ett så världsligt
ord kan tillåtas i detta sammanhang, är ju odödlig och huvudrollen
den största tänkbara utmaning att gestalta. Då är Johannespassionen
med sin snabbt framåtskridande berättelse lättare att göra
än den bredare och djupare Matteuspassionen. Nationaoperans iscensättning
av Jesu lidande och död gick pietetsfullt till väga. Det var enkla
och klara sceniska lösningar som gällde, och en mer teatralisk lösning
kunde ha blivit komisk då evangelistan i varje fall berättar vad
som kommer att hända. En del av kören uppträdde som judarna
som läser lagen och kräver att den självutnämnda konungen
skall korsfästas, medan den andra delen stod på sidan av estraden
sjungande koraler som prisar förlösaren. (.......) Den drivande
motorn var Peter Schreier i egenskap av både dirigent och evangelista.
Schreiers förmåga att både musikaliskt och dramatiskt gestalta
texten bottnar i en så djup insikt i Bachs musik och barocktidens uppförandepraxis
att de övriga solisterna omöjligt kunde nå upp till samma
nivå, hur väl de än satt i sina roller. Schreiers enda problem
uppstod då han skulle få körapparaten med sig - trots lämpligt
utplacerade monitorer visade det sig vara svårt för den på
olika ställen utplacerade kören att följa dirigentens taktslag
och markeringar. (......) M.K.
Il
Messaggero 12.03.2002
Schreier a Santa Cecilia,
immersione nella Passione
Roma. (......) Un'ora prima
dell'inizio del concerto si era già formata una lunga fila al botteghino
per i biglietti. Molti giovani, ma non solo, avevano sotto braccio una partitura,
di quelle grandi, che si usano per cantare nei cori. In sala avrebbero seguito
l'esecuzione con un occhio alle note. In programma c'era un monumento, la
"Passione secondo Matteo" di Bach, capolavoro irripetibile per la
sua bellezza e profondità "teatrale" nel sonorizzare la vicenda
di Cristo. Sul podio Peter Schreier, nella duplice veste di direttore e cantante
solista (nel ruolo dell'evangelista). Come aveva già fatto tre anni
fa con la stessa Passione e l'anno scorso con quella di Giovanni, Schreier
era rivolto verso il pubblico e aveva disposto ai suoi lati le due orchestre
e i cori; dietro di lui l'ottimo coro di voci bianche "Aureliano",
istruito da Bruna Liguori Valenti. Il punto di forza di Schreier è
l'immersione fisica (canta e dirige a memoria) e musicale nella "Passione",
anche se nella sua interpretazione è difficile trovarvi sorprese o
novità: tutto è nel solco della grande tradizione tedesca. Buono
il cast vocale: il soprano Ute Selbig (la migliore), il mezzosoprano Rosemarie
Lang, il tenore Martin Petzold e i bassi Andreas Scheibner ed Egbert Junghanns.
Coro e orchestra non sempre erano in perfetta sintonia col direttore. Puntuali
gli interventi solistici nelle arie concertanti; tra i tanti, quello del violinista
Carlo Maria Parazzoli nella sublime "Erbarme dich" e del flautista
Carlo Tamponi in "Aus liebe". LdL
Thüringische
Landeszeitung 28.02.2002
Erfurt erlebte große Stunde des Liedes
Wie
oft wird er die "Dichterliebe" von Robert Schumann gesungen haben?
Auch ohne Antwort verbirgt sich hinter dieser Frage die Hochachtung vor dem
Sänger, der sich diesen Liederzyklus, Höhepunkt des deutschen Kunstliedes
der Romantik, mit großer Vollkommenheit zu eigen gemacht hat. Nicht
Peter Schreier glaubte der Besucher zu hören, der auf Einladung des Lions-Clubs
Erfurt-Thuringia zum Benefizkonzert zugunsten unfallgeschädigter Kinder
in Erfurts Kaisersaal gekommen war. Er fühlte sich mitgenommen in eine
Gedanken- und Gefühlswelt, die Heinrich Heine mit zarten, bildreichen,
auch ironisch angehauchten Worten umschrieben und der Schumann mit tief erfühlter
Musik eine bedrückend stimmungsvolle Atmosphäre gegeben hat.
Schreier versteht sich als beider Sprachrohr. Er wandelt aus größtem
Verständnis und mit absoluter Treffsicherheit auf den Spuren der vollendeten
Symbiose aus Wort und Ton. Er dringt ein in die geheimsten Winkel Schumannscher
Empfindung und weist dem Hörer den Weg zu intensivem Nacherleben. Nirgends
sprengt er den Rahmen des Lyrisch-Erzählenden, obwohl einige Versuchungen
zu dramatisch-espressiven Lichtern seiner warten (Ich grolle nicht; Die alten
bösen Lieder). Schreier gestaltet den Zyklus als innere Einheit, von
dessen 16 Liedern jedes eine andere Sprache spricht, die aber in der Folge
einen wunderbaren Zusammenhang ergeben. Er weiß genau, was er singt:
Mit prächtig gestaltender Sprache öffnet er Horizonte. Und er kennt
die Tücken der Lieder, denn er rückt ihnen mit gewaltiger gesangs-technischer
Disziplin zu Leibe, so dass die hörbaren Spuren fortschreitender Jahre
in Grenzen bleiben.
Die große Stunde des Liedes wäre undenkbar ohne den Poeten, der
das Klavier mit Samthänden streichelt, ihm zauberhaft beredte Klänge
in wundersamer Transparenz entlockt und die aufgestaute Spannung in gedankenverlorenen
Nachspielen vertreibt. Alexander Schmalcz, Begleiter mit eigener Intuition,
war die ideale Ergänzung für den Sänger, der nicht selbst im
Vordergrund steht, sondern der dem Blick des Komponisten in die Tiefe der
Seele folgt. Alle anschließenden Lieder waren Nachspiele, obwohl mit
"Frühlingsglaube", "Du bist die Ruh", "Schäfers
Klagelied" u. a. Meisterwerke aus Schuberts Feder, genauso stilvoll dargeboten,
zu erleben waren.
H-J. T.
Westfalenpost 25.02.2002
"Messias" in
Werl wurde zu Festival der Stimmen
Glanzvolle Aufführung in der Propsteikirche
Zehn Minuten Beifall
Es war wie Weihnachten.
Schnee in der Luft, das Gotteshaus bevölkert wie selten und ein Gabentisch
so reich an kultureller Güte, dass man sich dessen noch lange erinnern
wird: Das Konzert "Der Messias" von Georg Friedrich Händel
wurde am Samstag in der Propsteikirche zu einem musikalischen Kulturereignis
von außergewöhnlichem Rang. Das faszinierte Publikum erlebte ein
imponierendes Stimmenfestival. Dass die glänzende Inszenierung unter
der Leitung von Dr. Wolfgang Besler im Zeichen eines Abschieds stand, verlieh
dem Konzert zusätzlichen Reiz. Peter Schreier, letztmalig vor drei Jahren
in der Propsteikirche zu hören, beschloss am Samstag in Werl seine offizielle
Karriere als Tenor. Unüberhörbar erwies sich sein Finale als ein
bravouröser künstlerischer Abgang. (.....) Neben dem erwartungsgemäß
glänzenden Tenor Peter Schreier und dem stimmlich vortrefflichen Wolfgang
Schöne (Bass) traten die blendende Sopranistin Doerthe Maria Sandmann
und die erfahrene Altistin Anne-Maria Seager auf. Auf gleich hoher Gestaltungsebene
bewegte sich das "Concertino Dresden" , dessen instrumentelle Perfektion
über jeden Zweifel erhaben ist. (......) Als das Oratorium ausklang,
klatschte im Publikum als erster ein Mann vom Fach. Studiendirektor i.R. Franz-Josef
Zimmerhof. Der einstige Chorleiter und gymnasiale Musiklehrer sorgte für
ein zehn Minuten andauerndes Beifallsmanifest. Im Gespräch mit den Mitwirkenden
erinnerte Franz-Josef Zimmerhof daran, dass er in Werl erstmals nach dem Kriege
1956 im abgerissenen belgischen Kino den "Messias" auf die Bühne
brachte (.........).
The
Daily News of Los Angeles
05.02.2002
'Mass'
proves an eye-opener
It's difficult to digest 100 minutes of Bach, even a
work of sublime beauty like Bach's "Mass in B Minor." That's why
Achim Freyer's abstract staging of the "Mass," running through Feb.
16 at Los Angeles Opera, is such a blessing: It gives the audience something
visual on which to focus. Opera patrons can find the rendition most satisfying
as long as they remember that the main action is in the orchestra pit. The
faceless, miming figures on stage are just there as a visual enhancement.
If they prove distracting, patrons can always close their eyes and hear a
transcendent rendition of the "Mass" sung by the Los Angeles Opera
Chorus and conducted by Bach guru Peter Schreier. While he has a reputation
as something of a purist, Schreier's interpretation was free and imaginative,
conducting the piece like a celebration, taking liberties with the tempi and
allowing a natural vibrato from the chorus. Of course, he had four top-notch
soloists. Alto Annekathrin Laabs was the biggest standout, bringing passion
and a rich, full-bodied tone to "Laudamos Te," and the final "Agnus
Dei." She was best in the sections marked Soprano II, and had a bit of
difficulty with the lowest notes in the alto passages. Still, her dynamic
approach did much to compensate. Laabs' duets with soprano Simone Nold were
angelic, especially the "Et in unium Dominum, Jesum," from the Credo
section. Tenor Marcus Ullmann's light, expressive voice lent clarity to his
solo sections. He shone in the "Benedictus," which was a high point
for Schreier and the orchestra as well. Schreier gave the passage weight and
pathos by taking his time with the orchestral passages and slowly building
to the final resolution. (.....) R.M.
Münchener
Merkur 16.01.2002
Weltverlorenheit
''Winterreise'': Schreier sang für Dresdens
Frauenkirche
(.......)
Sein Liederabend am Montag im vollbesetzten Münchner Prinzregententheater
galt dem Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche.
Peter Schreier, der in seinen Blütezeiten als lyrischer Tenor auf der
Opernbühne vor allem bei Mozart und im Konzertsaal (als d e r Bach-Evangelist)
keine Konkurrenz kannte, hat sich seine Spitzenqualitäten bis heute bewahrt.
In Schuberts "Winterreise" bewies er dem Münchner Publikum
erneut, welch hervorragender Stilist und Techniker er ist. Die Stimme - nie
verführerisch funkelnd, sondern seit je geprägt von instrumentaler
Klarheit - springt auch heute noch sofort an, ist tragfähig und besticht
durch ihre Flexibilität und Modulationsfähigkeit. Peter Schreier
charakterisiert klug den zunächst noch Aufbegehrenden, immer mehr Verlorenen
der "Winterreise". Er bewegt sich, mit gekonntem Registerwechsel,
meist im eindringlichen Piano oder Mezzavoce und legt nur sehr selten dynamisch
zu. Helmut Deutsch eröffnet in Schuberts Klaviersatz seinerseits die
ganze Trostlosigkeit und Leere dieses musikalischen Psychogramms - in dem
die lichten Erinnerungen, die Hoffnungsschimmer ("Gute Nacht", "Der
Lindenbaum", "Frühlingstraum", "Die Post") rar
sind. Ohne Larmoyanz, ohne Manierismen, ganz nah am Text, zieht Schreier die
Zuhörer in seinen Bann, besonders ergreifend in "Wasserflut",
"Irrlicht" "Frühlingstraum" und der seelenwunden
Weltverlorenheit in den vier letzten Liedern. Das Publikum dankte begeistert.
(G.L.)