Rezensionen Archiv / Reviews Archive

2002

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Sächsische Zeitung 24.12: Mehr als eine große Botschaft
Ongakunotomo
Jan. '03: Peter Schreier sings Winterreise
Dresdner Neueste Nachrichten
20.12: Erlesenes Weihnachtsoratorium in Großerkmannsdorf
Kurier
9.12: Schubert als Kollege
Die Presse
9.12: Eintöniger Marsch der Achtelnoten: Schubert tröstete
Stuttgarter Nachrichten
09.11: Ins barocke Schmerzzentrum
Neue Zürcher Zeitung
08.11: András Schiff and Friends
St. Galler Tagblatt
29.10: Kunst der Tiefgründigkeit
Wiener Zeitung
21.10: In gewohnter Qualität
Die Presse
17.10: Peter Schreier, Liederzähler
Dresdner Neueste Nachrichten
13.10: Schmerz und Ausgestoßensein
The Irish Times
08.10: Die schöne Müllerin

Trierischer Volksfreund
30.09: Wenn die Seele jubiliert
Weser Kurier
18.09: Eine Wanderung zum Tod
Die Tageszeitung/Bremen 17.09: Der Schwan im Löwen
Neue Vorarlberger Tageszeitung
10.09: Schubertiade-Abschluss mit Peter Schreier
Neue Vorarlberger Tageszeitung
08.09: Lauter Publikumslieblinge
Stuttgarter Zeitung
01.08: Glaubwürdige Aussage
Freie Presse
04.07: Makellos ersstrahlt der schlanke Tenorton
Märkische Allgemeine
26.06: Schumann unter Posaunenbläsern
Vorarlberger Nachrichten
22.06: Der "Goethe" unter den Tenören
Turun Sanomat
17.06: Näkemyksellistä motettitaidetta
Offenbach-Post
11.06: Erbauliche Lieder intensiv gesungen
Politiken
23.04: Sjov med Johann Sebastian
Pforzheimer Zeitung
09.04: Prägnante Gestaltungskraft
Hufvudstadsbladet
25.03: Passionen blev nästan opera
Il Messaggero
12.03: Schreier a Santa Cecilia, immersione nella Passione
Thüringer Landeszeitung
28.02: Erfurt erlebte große Stunde des Liedes
Westfalenpost
25.02: "Messias" in Werl wurde zu Festival der Stimmen
The Daily News of Los Angeles
05.02: 'Mass' proves an eye-opener
Münchener Merkur 16.01: Weltverlorenheit




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Sächsische Zeitung 24.12.2002
Mehr als eine große Botschaft
Weihnachtsoratorium war Genuss und Hilfe zugleich
Meissen. „Brich an, o schönes Morgenlicht, und lass den Himmel tagen!“ Wie ein roter Klangfaden zogen sich Licht und Hoffnung durch die ersten drei Kantaten des Bachschen Weihnachtsoratoriums am Sonnabend in der Frauenkirche zu Meißen. Peter Schreier gestaltete die Weihnachtsgeschichte mit den Solisten Antje Perscholka (Sopran), Annekathrin Laabs (Alt), Martin Petzold (Evangelist und Tenor) und Jochen Kupfer (Bass) sowie dem Sächsischen Kammerorchester des MDR und dem Favorit- und Capell-Chor Leipzig als Benefizkonzert für das Kuratorium „Rettet Meißen - jetzt“. Der Reinerlös wird ausschließlich zur Sanierung flutgeschädigter Meißner Kulturdenkmäler eingesetzt.
Seit der Hochwasserkatastrophe finden allerorten Benefizkonzerte statt, in denen Künstler aller Couleur ihre tätige Solidarität mit den Geschädigten bekunden. Für den Ehrenbürger der Stadt Meißen, Kammersänger Prof. Peter Schreier, war dieses hochkarätige Kunstereignis in der ausverkauften Kirche ein weiteres in einer seit Jahren - auch außerhalb Meißens - stattfindenden Serie, deren künstlerische und materielle Ergebnisse allesamt seiner Heimatstadt gewidmet waren. In den Bann seiner immer tiefer gehenden, Traditionen hinterfragenden und entschlackten musikalischen Konzeption dieser so populären ersten drei Kantaten zog Peter Schreier nicht nur die Zuhörer, sondern auch die mit ihm hinreißend musizierenden Künstler. (......) Martin Petzolds Evangelist lieferte keinen rationellen Kommentar, sondern erzählte mit innerer Beteiligung eine bekenntnishafte Geschichte. (.......)
A.B.


Ongakunotomo ("The Music Friend") January 2003
Peter Schreier sings Winterreise
How long have we heard Peter Schreier sing? Even now we can not forget his singing of “Die schöne Müllerin” at his first Japan tournee 1974, which could be called as the ideal lyrical beauty. Then, in 80s we heard sometimes unnecessary exaggeration in his singing, which could be done under bad influence from Fischer-Dieskau. It was that time when Schreier, who had been known as Mozart-tenor, added the character tenor role of Mime in Wagner’s “Der Ring des Nibelungen”. It was also that time when he widened his activity as conductor in large scale. The excellent singing of “Winterreise” this time was established upon the various experiences since then. He has returned to the lyrical singing whose basis is legato.
But his voice has got deeper and richer tone colour through aging and reflects features with shadow corresponding to the tone colour.
We enjoyed the important singing with beauty and deep features which is to be called as the results of singing Winterreise which he had added to his repertory since the middle of 1980s.
In Radicke’s piano accompaniment there was some inflexibility as he is young but as a total it supported the whole cycle of songs organically well.
<Concert on 21st November 2002 in Takemitsu Memorial Hall of Tokyo Opera City>
J-i. K. (Translation: "Sagittarius")

Kritik in japanischer Sprache / review in Japanese  language


Dresdner Neueste Nachrichten
20.12.02
Erlesenes Weihnachtsoratorium in Großerkmannsdorf
In der schönen, 300 Jahre alten Dorfkirche von Großerkmannsdorf war jetzt eine erlesene Aufführung der Kantaten IV bis VI des Bach'schen Weihnachtsoratoriums zu erleben. Bis unters Dach saßen Gemeinde und Zugereiste dicht an dicht. Mit dem Körnerschen Singverein unter Peter Kopp stand ein Kammerchor zur Verfügung, der mühelos einen kristallklaren Klang hervorzaubert (.....) An den Orchesterpulten saßen vor allem Mitglieder der Sächsischen Staatskapelle Dresden, die natürlich in diesem Part kaum Wünsche offen ließen (......) Das Solistenquartett - Jeanne-Pascale Schulze, Angela Liebold, Peter Schreier, Olaf Bär - harmonierte in denkbar schöner Weise: stimmlich wunderbar, engagiert und sinnfällig im Ausdruck - auch dies das reinste Bach-Vergnügen. M.H.


Kurier 09.12.2002
Schubert als Kollege

Hofmusikapelle unter Peter Schreier
Wien. (......) Große Mariengesänge Mozarts bildeten nebst einem "Konzert für Orgel und Orchester in C-Dur" von dessen Rivalen Salieri den Eröffnungsteil. Eine über weite Passagen uninspiriert abgespulte Aufwärmstrecke, als klarer, bejubelter Höhepunkt fungierte Franz Schuberts große "Messe in Es-Dur D 950". Peter Schreier, als Sänger geschätzt, hatte sich diesmal ans Pult begeben, zeigte souverän Studiertes und vor allem herrlich geschmeidig musizierten Schubert: Sanft, in milden, lichten Klängen wurde die Partitur entfaltet, die Sängerknaben schienen gut disponiert wie selten. Schreier vermochte gefühlvoll zu koordinieren, dank schlankem Klangbild hatte auch das Solistenquintett leichtes Spiel: Ildiko Raimondi und Ulrike Helzel, die Herren Prégardien/Ullmann/Lodges erwiesen sich als homogenes Sängerteam, jubilierend in den kleinen Soli. Kollege Schubert, einmal mild gegeben. H.H.


Die Presse 09.12.2002
Eintöniger Marsch der Achtelnoten: Schubert tröstete
Wien. Mitglieder der Wiener Philharmoniker, die Wiener Sängerknaben und die Herren des Wiener Staatsopernchores - das sollte doch, zusammengenommen, für hohe wienerische Musikkultur auf dem Gebiet der Musica sacra garantieren. In Wahrheit zerfiel der Nachmittag in zwei grundverschiedene Hälften. Ein strohtrockenes Orgelkonzert von Antonio Salieri zu Beginn, von Herbert Tachezi tadellos exekutiert, schien auf die Wiedergabe der nachfolgenden Kompositionen von Mozart eine lähmende Wirkung ausgestrahlt zu haben, so gut sie auch für den kommenden Marienfeiertag ausgewählt sein mochten: (.......) Aber Schreier sorgte sich hier weder um sinnvoll gliedernde Phrasierung noch um eine halbwegs deutliche Textaussprache, sondern ließ die Stücke lediglich in bedächtigen Tempi und einförmig dahinmarschierenden Achtelnoten ablaufen.

Peter Schreier, Wien/Vienna

Nach der Pause wendete sich das Blatt vollkommen. War es die Affinität des begnadeten Schubertsängers zu dessen Musik oder hatte man nur den Löwenanteil der Probenzeit auf das Hauptwerk des Konzerts verwendet - Franz Schuberts Es-Dur Messe erstand in plausibel gewählten, überzeugend modifizierten Tempi, in den kontrastreich aufgetürmten, atemberaubenden Kühnheiten und im milden Glanz der prachtvoll aufspielenden Philharmoniker zu blühendem Leben.Aus dem gut abgestimmten Solistenquintett stechen der klare Sopran von Ildigó Raimondi und der stilsichere Tenor von Christoph Prégardien hervor, die Sängerknaben waren in Stimmfrische und Einsatzfreude kaum wiederzuerkennen, und auch die Herren Staatsopernsänger brachten stimmliche Qualität und sorgsame Anpassungsfähigkeit souverän auf einen Nenner.(......) ghjk


Stuttgarter Nachrichten
09.11.2002
Wie einen Altar hat András Schiff ein Orgelpositiv in die Podiumsmitte gestellt, eine Partitur der Bachschen Matthäuspassion von der Größe einer Prachtbibel darauf gelegt und die SWR-Musiker um sich gruppiert wie die Jünger bei der Bergpredigt. Bei Rezitativen drückt er Akkorde in die Tasten. Ansonsten aber rudert er im Glück über Hall und Widerhall aus Kehlen und Instrumenten. Der ungarische Pianist erfüllt sich mit dieser Matthäuspassion im Stuttgarter Hegelsaal einen Lebenstraum. Mögen die Anhänger der historisch orientierten Sparbesetzungen nun die Köpfe schütteln: auch das sinfonische Gegenbild zur Klangknauserei hat in unseren Tagen seine Berechtigung, wenn es sich nicht im romantischen Überschwang auf dem Podium vergreift.
Wie man diese Positionen zusammenspannt, zeigte der 67-jährige Tenor Peter Schreier als Evangelist. Er sang auswendig, intensiv textbezogen und ausdrucksstark und überraschte all jene, die um seine Stimme gefürchtet hatten. Sie reagierte bis auf kleine Abstriche in der Höhenschwerelosigkeit biegsam und farbenreich. Peter Schreier ist als Evangelist eine künstlerische Instanz geblieben. Fast im Sinne einer Wahlverwandtschaft fügte sich Dieter Henschel in der Jesus-Partie hinzu, kämpferisch und schlicht zugleich mit feinsten Tönungen der Resignation. (.....) Deutlich machte dieser Abend aber auch, dass für das SWR-Vokalensemble und das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart die Rückkehr ins barocke Schmerzzentrum mit Bach durchaus geboten war. Wenn man diese Epoche zu lange den Spezialisten überlässt, gehen Stilsicherheit und Selbstbewusstsein verloren. (........) So wurde der Strom von Lebensimpulsen aus den Händen des András Schiff nicht in samtseidene Bußfertigkeit umgesetzt, sondern in ein großzügig konzipiertes barockes Hördrama. E.S.


Neue Zürcher Zeitung / NZZ Online 08.11.2002
András Schiff and Friends
Bachs «Matthäuspassion» in Zürich
Nein, es ist kein Druckfehler: Der Dirigent der Aufführung von Bachs «Matthäuspassion» in der Tonhalle Zürich heisst András Schiff. Was bewegt den weltberühmten Pianisten zu diesem Rollentausch? Im Programmheft kann man die rührende Geschichte nachlesen: Nachdem Schiff vor zwei Jahren in Ittingen das SWR-Vokalensemble dirigiert hatte, habe er den Wunsch geäussert, mit diesem Chor einmal die «Matthäuspassion», sein Lieblingswerk, aufführen zu dürfen. Und nun hat man ihm diesen Wunsch erfüllt und ihn erst noch bei den übrigen Ausführenden mitbestimmen lassen. Die Schlüsselrolle des Evangelisten war mit Peter Schreier hervorragend besetzt. Der 67-jährige Tenor interpretiert die Rolle, in der Tradition Ernst Häfligers, nach wie vor ergreifend und zugleich ergriffen. Da gibt es keine Distanz, sondern da ist in jeder Phrase höchste Anteilnahme am Leidensgeschehen festzustellen. Auch Dietrich Henschel in der Partie des Jesus liess seinen Emotionen freien Lauf. Doch im Unterschied zu Schreier war bei ihm alles zu vordergründig, zu unausgereift; für die Arien wirkte sein fundamentaler Bass häufig zu überladen und zu theatralisch. (.....) Die Ausdrucksdichte, die Ziesak beispielsweise in der Arie «Aus Liebe will mein Heiland sterben» mit ihrer schlanken und unaufdringlichen Stimme herbeizauberte, und das bei diesem langsamen Tempo, verdient grosse Bewunderung. Dass Schiff kein Dirigent sei, sagt er im einleitenden Interview des Texthefts selber, und wenn man ihn dirigieren sieht, glaubt man ihm das ohne weiteres. Was er besitzt, ist ein Feu sacré, das auf die Mitbeteiligten übergreift. Und er hatte ein erkennbares, wenn auch anfechtbares Konzept: subjektive Deutung der Erzählung, dramatische Interventionen in den Volkschören, romantisches Schwärmen in den Chorälen und mystische Versenkung in den Arien. Aber es gelang ihm nicht, seine Intentionen im technischen Sinn zu übertragen. Er ist ein Generalist, der sich lieber um die grosse Linie als um die Details kümmert. (.....) T.S.


Peter Schreier: Schemellis Gesangbuch in Alzenau, 10/2002. Zeichnung/drawing: Tobias Schnotale (Frankfurt/Main)

Peter Schreier: Schemellis Gesangbuch in Alzenau.
Zeichnung/drawing: Tobias Schnotale, 28/10/2002.


St. Galler Tagblatt 29.10.2002
Kunst der Tiefgründigkeit

Peter Schreier in Ittingen
Warth. (........) Voll besetzt die Remise, als Peter Schreier mit Hansjörg Albrecht (Orgelpositiv/Cembalo) zur musik-literarischen Horizonterweiterung einen betont stillen Beitrag leistete, mit 21 ausgewählten geistlichen Liedern und Arien aus Georg Christian Schemellis «Musicalischem Gesang-Buch» (1736). (.....) In Ittingen ruhte Schreiers Kunst auf dem singulären Vermögen, die kleingliedrigen Formulierungen «redend» auszusingen. Damit entzieht sich Zuhörern eine gültige Beurteilung, inwieweit sich dieser Tenor von seiner einstigen glanzvollen Ära entfernt hat. Man müsse wissen, so ein Besucher, wann man aufzuhören habe. Dem kann man sich nur bedingt anschliessen, denn die von Bach mit beziffertem Bass versehenen geistlichen Lieder und Arien, davon gerade drei, die dem Komponisten nachweislich zugeschrieben werden, verlangen eben das «redende» Singen. (.......) Das Massstäbliche einer Darstellung hat sich Peter Schreier jedenfalls erhalten. Er vermittelt textbezogen, stellvertretend für Menschen des Barock-Zeitalters, die gläubige Zuversicht, sehnsüchtiges Verlangen nach Gott zu Papier brachten. «Gott lebet noch! Seele, was verzagst du doch?» Das Auftakt-Beispiel für diese unerschütterliche Haltung, von Peter Schreier mit den letzten vier Takten prononciert herausgestellt. Im Kontrast dazu das piano genommene «O Jesulein süss, o Jesulein mild». Mit Akzenten versehen das zweimalige «Halleluja» in «Jesus, unser Trost und Leben». In angezogenem Tempo «Auf, auf! Mein Herz, mit Freuden». Trauerarbeit Schreiers, als er das Seelenweh auf den chromatischen Achteln, im Nachklang («Du zagst, du klagst») gedehnt erfüllte. Ausdruck einer pessimistischen Niedergeschlagenheit stellte sich ein mit dem abschliessenden Lied «Der Tag ist hin, die Sonne gehet nieder».
Und welch eine bewundernwerte, einfühlsame Assistenz durch Hansjörg Albrecht, gefragt auf allen Ebenen kammermusikalischer Aktivitäten, wechselte zwischen der Tastatur des Cembalo und der Orgel (Portativ). Er spielte sich solo das Lob der Zuhörer mit der Chromatischen Fantasie und Fuge d-Moll und den Duetten BWV (802-805, womit Bach Wegweiser auf zukünftiges, nahezu modernes Komponieren aufgestellt hat. Und: So noch nie gehört: Das Andante des Italienischen Konzerts F-Dur, das Albrecht im Zusammengehen von Cembalo und Flötenregister der Orgel (für die Melodie) geradezu zelebrierte. (.........) G.H.

Wiener Zeitung 21.10.2002
In gewohnter Qualität
Brahms-Saal: Peter Schreier, Tenor
Der wohl bedeutendste Tenor des deutschen Liedgesangs im 20. Jahrhundert sang Beethoven (Ausgewähltes und den Liederkreis an die ferne Geliebte) und Schubert (den "Schwanengesang"), denen ja auch ein wichtiger Teil seiner künstlerischen Lebensarbeit galt und gilt. Dass die schon gut und gerne vier Dezennien andauert, das ist für eine hohe Stimme das beste Qualitätszeugnis. Die Kraft ist noch immer vorhanden, die Ausdrucksfähigkeit eher noch gewachsen, an Schreiers Artikulationskunst kann man Deutsch lernen, und wenn man hört, wie elastisch alles klingt, dann weiß man, dass das nicht nur "Technik" sein kann. Ja, im Laufe des Abends wurde der lyrische Tenor sogar merklich "jünger"! (.....)




Die Presse
17.10.2002
Peter Schreier, Liederzähler
Brahmssaal: Peter Schreier mit dem Pianisten Camillo Radicke und Liedern von Beethoven, Schubert.
Wien. "Hörst du die Nachtigallen schlagen?/ Ach! Sie flehen dich. Rühren mit den Silbertönen/ Jedes weiche Herz", heißt es in Schuberts "Ständchen". Waren die "nahtegalen" im Mittelalter die Minnesänger, so ist es in Schuberts Lied wohl auch der Sänger, der die "Nachtigallen" imitiert, um erhört zu werden. Um die Gunst des Publikums mußte Peter Schreier bei seinem Beethoven und Schubert-Liederabend nicht lange werben. Aufmerksamkeit erlangte der deutsche Tenor durch sein "Silbertönen": einen andächtig-zarten Gesang, der den Abend zum Geschenk machte. Schreiers klare Sprache, sein selbstverständlicher musikalischer Gestus - einfühlsam begleitet von Camillo Radickes - mündeten in berührende Innerlichkeit. Jedes Geschehen konnte sich in stets ambivalenter Stimmung entfalten, war trostlos und nüchtern, verzweifelt und heiter zugleich. Schreiers Gesangeskunst wurde so zur intimen Erzählkunst. EKR


Dresdner Neueste Nachrichten 13.10.2002
Schmerz und Ausgestoßensein
Dresden. Er ist unendlich müde, unendlich verzweifelt und ohne jeden Hoffnungsschimmer (selbst in den lichten Momenten des Zyklus) - der Wanderer von Peter Schreier in Schuberts schauerlicher "Winterreise". Die Hörer im überfüllten Saal des Dresdner Kulturrathauses wurden mit hinein genommen in eine Welt, die nur aus Schmerz, Ausgestoßensein und der unerfüllten Sehnsucht nach dem Ende zu bestehen schien.
Peter Schreiers nach wie vor ungetrübte gestalterische Fähigkeiten - im musikalischen wie im Wort-Sinn - waren der Schlüssel zu einer Erlebnistiefe sondergleichen. An seinen spezifischen stimmlichen Qualitäten gab es nichts, aber auch gar nichts zu bemängeln - weder am edlen, höchst kultivierten Timbre, noch am gerade für eine gültige Gestaltung der "Winterreise" unerlässlichen Facettenreichtum der stimmlichen Möglichkeiten. Es waren ihm keine Grenzen gesetzt. An seiner Seite Camillo Radicke - ein Ausnahmepianist, der in der Schubertschen Farbgebung absolut zu Hause ist und sich in einer Weise in einen Sänger hineindenken und fühlen kann wie nur wenige.(......) Beide Künstler realisierten schlicht und ergreifend den seelischen Verschleißprozeß des einsamen Wanderers. Die nicht nur klimatische, sondern vor allem menschliche Kälte wurde vom ersten Ton an nachvollziehbar. Schreier haderte mit sich, brachte eine unglaublich tief lotende, nachvollziehbare Emotionalität zu Gehör. (......) Jedes der vierundzwanzig Lieder schien durch die subtile gestalterische Eindringlichkeit beider Künstler zur unverwechselbaren Kostbarkeit auf dem Weg des Leidens zu werden.
Am Ende standen die Schwermut des "Wirtshauses", die visionären "Nebensonnen" und der "Leiermann" - in dieser Schreierschen Wiedergabe schmerzlich entrückt, beklemmend, wie in Trance. Es blieb Camillo Radicke überlassen, ein letztes Mal die immer neu angesetzten Figuren des Schlussliedes fein differenziert erklingen zu lassen und den Spannungsbogen einer großen Interpretation zu schließen. M.H.


The Irish Times 08.10.2002
Die schöne Müllerin
Dublin.(.......) Schreier and Schiff are old partners in this repertoire - they recorded the song cycle together in the late 1980s - and Schreier's light-toned lyricism seems totally apt for the style of the music. At the NCH, however, Schiff didn't seem to be entirely at one with the often delicately-expressed manner of the singing. It may sound surprising, but there were times when the piano-playing strayed beyond the range of independently-minded partnership and into an area better suited to soloistic display. There were moments when the spirit of the late Shura Cherkassky could almost have been flitting around, seeking out those strange perspectives and inner voices which he so loved to highlight, irrespective of their musical cogency. Schiff's playing was, of course, at all times impeccably polished, although the music-making did become distracting in the face of the self-restraint of Schreier's delivery. Schreier is now in his late 60s, but the voice, which is quite small, is miraculously well-preserved. Only some moments of climactic stress and a whitening of tone on high notes reminded one of the inescapable passing of the years. His manner was easy and engaging, never over-dramatised. The joys and sorrows of the young miller, and his ultimate, watery demise, were communicated with a sort of sober clarity that was particularly affecting, perhaps in part because of the very nature of its special reserve. M.D.

Trierischer Volksfreund / Intrinet 30.09.2002
Wenn die Seele jubiliert
Peter Schreier zu Gast im Hunsrück
KLEINICH. Voll besetzt war die evangelische Kirche in Kleinich, als die Moselfestwochen zu einem Konzert mit dem Tenor Peter Schreier geladen hatte. Ihm zur Seite stand der Organist Hansjörg Albrecht.(......) Auf dem Programm standen insgesamt 21 Lieder aus dem "Musicalischen Gesang-Buch", das 1736 von Georg Christian Schemelli in Leipzig herausgegeben wurde. Schreier zur Seite stand der junge, im sächsischen Freiberg geborene Organist Hansjörg Albrecht. (......) Eigentlich ist die Stummorgel der Kleinicher Kirche für die Interpretation dieses Werkes nicht geeignet. Natürlich gab es vom klanglichen Geschehen her für den aufmerksamen Hörer einige Brüche in der Interpretation, alleine schon wegen des fehlenden Bassfundamentes. Wenn man aber bedenkt, wie viele Noten Albrecht der Not gehorchend zusätzlich in sein ohnehin schon sehr komplexes Manualspiel hinein nehmen musste, konnte man bei seinem auch stilistisch äußerst beeindruckenden Spiel nur noch bewundernd den Hut ziehen. Schreier eröffnete dem Publikum eine tiefe Einsicht in Bachs Glaubenswelt, da er auf Grund seiner großen Erfahrung mit der Musik des Meisters Einzelheiten in dessen Werken herausarbeitet, die manchem noch gar nicht aufgefallen sein mögen. Wenn er das Lied "Eins ist not! Ach Herr, dies eine" (BWV 453) vorträgt, wird die Theorie der lutherischen Rechtfertigungslehre so überzeugend deutlich, dass jedweder Theologenstreit über dieses Thema verblassen muss. Wenn er in "Auf, auf! Mein Herz, mit Freuden" (BWV 441) das Ostergeschehen besingt, dann spricht aus seinem Vortrag wirkliche Osterfreude, bei dem die gläubige Seele jubiliert. Schreier und Albrecht sind beide optimal aufeinander eingestimmt. Optimal unterstützte der Organist mit seinen mit Bedacht gewählten Registrierungen die Vorträge des Tenors. Ein großes, beeindruckendes Konzert, in dem Peter Schreier unter Beweis stellte, dass er nach wie vor einer der großen Bachinterpreten ist. GKL

Weser Kurier 18.09.2002
Eine Wanderung zum Tod
Peter Schreier und András Schiff interpretieren „Die Winterreise“
Oldenburg. Der Mann ist ein Phänomen. Obwohl sich seine Lebenskurve am Ende des sechsten Jahrzehnts zuneigt, offenbart Peter Schreiers Stimme nicht die geringste Blessur. Im Gegenteil: Sie wahrt noch immer ein jugendliches Timbre, gehorcht jedem Nuancierungswunsch, dehnt sich dynamisch von strahlenden Fortehöhen bis hinunter zu pianissimo ersterbender Tiefe ohne Einbußen des Wohllautes und sie kann im Glücksgefühl mühelos strömen und in der zornigen Attacke scharf artikulieren. Da die Behändigkeit der Wortbehandlung zudem von hohem Kunstverstand gesteuert wird, sind die besten Voraussetzungen für eine Wiedergabe der „Winterreise“ gegeben, weshalb die „Musikalische Reise“ des Bremer Musikfestes ins Oldenburger Schloss sicher zu den Höhepunkten der diesjährigen Veranstaltungsreihe zu zählen ist. Nicht zuletzt auch deshalb, weil der Weltklasse-Pianist András Schiff mit dem Sänger eine superbe interpretatorische Ehe einging.
Peter Schreier kündet nicht von einer Winterkatastrophe, sondern begibt sich auf eine Winterreise: Er ist gleichzeitig Beobachter und Teilnehmer, ein zum Erinnern gezwungener junger Mann, dessen Glück und dessen Schmerz in die Vergangenheit gebannt sind. Deshalb rührt Schreiers Interpretation der „schauerlichen Lieder“ Schuberts besonders dann an, wenn das Träumen oder das Beschwören ehemaligen Liebesglücks plötzlich auch die Bitterkeit, den Zorn und den Trotz herausfordert, also die schlecht verheilten Wunden erneut aufreißt („Wasserflut“, „Post“, „Frühlingstraum“). Andererseits verweisen die Erinnerungen des Elenden auch Stellen auf, an denen Melodien erklingen, für dessen Innigkeit kein Adjektiv zur Verfügung steht. Dann entfaltet Schreiers Tenor Vokalfärbungen, Konsonantenschärfen und eine Unzahl von Nuancen, allesamt Vorzüge, die sich mit dem stimmlichen Wohllaut und der nie vernachlässigten Binnenzeichnung so verbinden, dass sich der Hörer solch vollendeter Lied-gestaltung bedingungslos ergeben muss („Rückblick“, „Die Post“). Neben der mühelos geformten Natürlichkeit („Der Lindenbaum“), neben der monologischen Intensität („Der greise Kopf“) verstärkt sich die Suggestion noch mehr, wenn der Wanderer die Gewitter der gegensätzlichen Emotionen hinter sich gelassen hat und den Tod nicht nur vor sich sieht, sondern ihn herbeisehnt („Im Dorfe“, „Der Wegweiser“, „Das Wirtshaus“). Die Wirkung verstärkt sich noch beim Erleben der letzten Einsamkeit auf dem Weg in eine heil- und illusionslose Welt („Die Nebensonnen“, „Der Leiermann“), zumal Schreier dann auch mehr und mehr fahle, matte, verstörte Valeurs in seinen Gesang mischt.
Die Intimität der Schubertschen Lebensbilanz stützt András Schiff vom Flügel her. Er spielt nie zu laut, er spielt keinen Ton leblos. Zudem ist er ein sublimer Beleuchtungsregisseur, der dank seiner ausgereiften Anschlagskultur die Genauigikeit der Details zu beschwören vermag. Und da er mit kristallener Klarheit, Hellsichtigkeit und poetischem Mitgefühl den musikalischen Text formuliert, ist er dem Sänger nicht nur Begleitung, sondern ein ebenbürtiger Partner.
– Nach gebührendem Schweigen Riesenapplaus. S.N.

Transparent / banner in Oldenburg, 09/2002

Die Tageszeitung (TAZ Bremen) 17.09.2002
Der Schwan im Löwen

Peter Schreier und András Schiff auf dem Musikfest: Schubert vom Feinsten
Bremen. Kammermusik ist großartig. Auch, wenn sie in Räumen stattfindet, die weniger von Intimität als durch beeindruckende Pracht geprägt sind - wie die Bremer Rathaushalle und der Theatersaal des Oldenburger Schlosses. Dort waren Peter Schreier und András Schiff mit zwei Schubert-Abenden (im Rahmen des Musikfestes) zu hören. In Oldenburg gab's die "Winterreise", in Bremen Schuberts "Schwanengesang". Natürlich war es kein ganz junger Schwan mehr, dem Peter Schreier seine Stimme lieh. Der Sachse gleicht - äußerlich - eher einem ergrauten Löwen. Seine Stimme aber hat eine Elastizität und Leichtigkeit, über die man nur staunen kann. So einer kann auch mit 67 noch von "säuselnden Lüften, wehend so mild" beziehungsweise "blumigen Düften atmend erfüllt" singen, ohne befremdlich zu wirken. Immer noch ist die Höhe für ihn ein Zuhause, in dem er sich hörbar wohl fühlt, immer noch ist der Mozartversierte für einen kleinen Triller hier und einen charmanten Praller dort zu haben: Eine Stimme, der auch die dünne Luft im immer noch halb eingehüllten Rathaussaal nichts von ihrer raumgreifenden Schwingung nehmen konnte. (........) H.B.


Neue Vorarlberger Tageszeitung
10.09.2002
Schubertiade-Abschluss mit Peter Schreier
Peter Schreier gestaltete mit Camillo Radicke am Klavier den Abschlussabend der Schubertiade.
Schwarzenberg. Lieder von Beethoven scheinen mit ihren feinen und doch energiereichen Melodien wie geschaffen zu sein für die Stimme Peter Schreiers. Sein hell-timbrierter Tenor spürte den kleinsten Regungen aufs sensibelste nach, sei es die Emphase der "Adelaide", sei es die fast deklamatorische Rubatofreudigkeit des "Mailiedes" und der "Zärtlichen Liebe". Diese subtilste Emotionalität setzte sich fort in den Zyklus "An die ferne Geliebte", und da staunte das Publikum auch über die große Linie, die Schreier vom ersten bis zum letzten Takt durchzuhalten vermochte. Der junge Camillo Radicke am Klavier war hier wie den ganzen Abend lang ein echter Mitgestalter, erschuf an seinem Flügel plausible Klangbilder, erzählte mit jedem Ton vom prallen Leben.
Mit Liedern aus Schuberts "Schwanengesang" begaben sich die beiden dann in Stimmungen von Abschied, Sehnsucht, auch Resignation. Dabei wählte der Sänger - etwa in "Kriegers Ahnung" oder "In der Ferne" - zuweilen matte Tonfarben. Die lichteren Lieder, wie zum Bespiel "Liebesbotschaft" vermag er mit unnachahmlicher Leichtigkeit zu erfüllen, und da entfaltet der Mittsechziger auch immer wieder einen echt jungenhaften Schalk. Eine magische Kraft, wie man sie selbst auf dem Niveau der Schubertiade selten hört, hatten die tieflotenden Liebeslieder der abschließenden Gruppe der Heine-Lieder aus dem "Schwanengesang". Das begeisterte Publikum wurde mit zwei Beethoven-Zugaben belohnt. A.M.


Neue Vorarlberger Tageszeitung 08.09.2002
Lauter Publikumslieblinge
Prominent besetzt war der Freitagnachmittag bei der Schubertiade. Es erklangen die "Liebesliederwalzer" von Brahms und Schumanns "Spanische Liebeslieder".
Schwarzenberg. Wie für ein Bild fürs Familienalbum der Schubertiade reihten sich die Publikumslieblinge: Juliane Banse, Peter Schreier, Olaf Bär, dazu die Pianisten Helmut Deutsch und Wolfram Rieger, traten an. Zum Gesangquartett wurden sie ergänzt durch die Mezzosopranistin Bernarda Fink, die heuer im Juni ihr Schubertiade-Debut gegeben hatte, andernorts vor allem als Oratoriensängerin und Interpretin Alter Musik einen klingenden Namen hat. In diesem prominenten Ensemble vermochte Fink zu brillieren, hatte sie doch von allen vier Sängerinnen, die da standen, die reinste Stimme und die überzeugendste Phrasierungskunst. Juliane Banses Sopran klang recht kehlig, und Olaf Bär vermochte in seinen Soli nicht immer die ideale Linie zu finden. Die hatte Peter Schreier sehr wohl, er bezauberte das Publikum auch durch seinen feinsinnigen Charme, der durchaus zu Klang werden kann. Und mit vielsagendem Mienenspiel waren alle vier sehr erfolgreich um Liebenswürdigkeit bemüht. (..........) A.M.



Stuttgarter Zeitung 01.08.2002
Glaubwürdige Aussage
Peter Schreier mit Bach-Liedern in Schwäbisch Gmünd
Geistliche Musik von Johann Sebastian Bach - da fällt unsereinem in Deutschland eigentlich nur ein Name ein, speziell, wenn nach Bach-Tenören gefragt wird. Jahrzehntelang war Peter Schreier der deutsche Vertreter in Sachen Bach-Gesang. Seine Interpretationen der Passionen und der Evangelistenpartien im Weihnachtsoratorium waren maßstabsetzend. Nachdem er nun seit einigen Jahren schon den Zenit seiner sängerischen Karriere überschritten hat, ließ er jetzt in der voll besetzten Augustinuskirche in Schwäbisch Gmünd noch einmal aufhorchen. (......) Mit einer Auswahl aus Schemellis Gesangbuch, jenem Sammelsurium geistlicher Lieder und Arien, an denen Johann Sebastian Bach verbessernd Hand anlegte, teilweise auch neu komponierte, gastierte Schreier beim Festival Europäische Kirchenmusik in Schwäbisch Gmünd, wo ihm vor zwei Jahren der Preis der Europäischen Kirchenmusik verliehen worden war. Mit dem dreißigjährigen Hansjörg Albrecht stand ihm an diesem Abend ein fantasievoller Partner zur Seite, der mal am Cembalo, mal am Orgelpositiv spielfreudig, aber nicht aufdringlich den schlichten Generalbassliedern Leben einhauchte. Fantasievoll, lebendig und technisch makellos ist ebenfalls sein solistisches Orgelspiel. (......) Fantasievoll geht er mit dem musikalischen Material des Schemelli-Gesangbuchs um, er sucht nach zentralen Aussagen und verkörpert diese dank weiter dynamischer Palette, Reichtum an Klangfarben und makelloser Intonation glaubwürdig. Das ist es vielleicht, was ihn - nach wie vor - auszeichnet: die Glaubwürdigkeit. (........) M.D.

Freie Presse 04.07.2002
Makellos erstrahlt der schlanke Tenorton
Begeisternder Liederabend Peter Schreiers innerhalb des Festes Alter Musik in der St.-Marien-Kirche von Marienberg
Obwohl „die geistlichen Lieder und Arien aus Schemellis Gesangbuch" nur unter Musikkennern bekannt sein dürften, fand das gleichermaßen betitelte Konzert am Mittwoch in Marienberg außergewöhnlichen Zuspruch. Im großen Schiff der Kirche St. Marien waren nahezu alle Plätze besetzt. Kein Wunder auch, denn interpretiert wurden die Gesänge aus dem frühen 18. Jahrhundert von Peter Schreier. (.....) Nach wie vor ist die Anziehungskraft dieses Sängers ungebrochen, so wie auch Schönheit und Ausdruckskraft seiner Stimme außerhalb jeden Zweifels stehen. Dieser schlanke Tenorton erstrahlt wie einst in den jungen Jahren Peter Schreiers immer noch makellos in der Höhe, ist ausgeglichen in den Registern, geschmeidig in der Tonführung und deutlich in der Aussprache ohnegleichen. Auch wenn die religiösen Texte der 21 Lieder und Arien teilweise recht wehleidig, verzagt oder frömmelnd angelegt waren, ließ sich Peter Schreier durch nichts zu Theatralik oder Schwärmerei hinreißen. Bei seinem Vortrag blieb alles schlicht und nur gewisse Nuancen hob er dezent heraus, wenn die Rede war von „Seelenweh“, von der Erwartung des Todes oder einer freudigen Öffnung der Herzen. (....) Besonders kostbar wurde die Auswahl daraus im Marienberger Konzert allerdings erst durch die Interpretation von Peter Schreier und Hansjörg Albrecht (Cembalo und Orgelpositiv), denn Bach hatte auch den Begleitpart mit vielen, mit wesentlichen musikalischen Figuren ausgestattet. In dieser Einheit von Gesang und Begleitung erschloss sich nun unmittelbar der unterschiedliche Stimmungsgehalt aller Lieder und Arien, zumal sie Peter Schreier auch dramaturgisch sehr sinnvoll angeordnet hatte, unabhängig von ihrer Stellung im Werkverzeichnis. (.....) W.K.


Märkische Allgemeine 26.06.2002
Schumann unter Posaunenbläsern
Peter Schreier sang in der Stiftskirche Neuzelle
Seit langem zeigen die Brandenburgischen Sommerkonzerte, wie Musikkultur in Privatinitiative gepflegt werden kann. Das vierte Konzert dieser Saison führte die "Klassiker auf Landpartie" in die Stiftskirche Neuzelle zu einem Liederabend mit Peter Schreier. Der Tenor brachte Schumanns Liederzyklen "Dichterliebe" von Heinrich Heine und "Liederkreis" von Joseph Eichendorff zum Vortrag. Sie sind mit Schuberts "Winterreise" und "Die schöne Müllerin" die bedeutendsten Liedersammlungen der Romatik. Peter Schreier trug dem Rechnung und zeigte sich als hervorragender Interpret. Jede Zeile, jedes Wort vermochte er mit Spannung und Emotion zu füllen. Nur die gesangstechnisch anspruchsvolleren Eichendorff-Lieder zeigten hier und da, dass die extremen Lagen nicht immer ganz präsent sind. Angesichts der Reife im Ausdruck und Gespür für die dramatische Ausdeutung bleibt dies jedoch eine zu vernachlässigende Größe. Begleitet wurde Schreier von dem jungen Pianisten Alexander Schmalcz. Mit klarem Ton und Licht-perlenden Arpeggien verlieh er Liedern wie "Die Rose, die Lilie" beschwingte Leichtigkeit. In "Die alten bösen Lieder" ließen erdig schwere Akkorde das Herz erschauern. Hier haben sich zwei wahre Romantiker gefunden. Der Sparsamkeit mancher Heine-Gedichte und den knappen Akkorden, verliehen Sänger und Pianist eine knisternde Spannung. Genau besehen ist es freilich antagonistisch, ein solches Programm in dieser barock überladenen Kirche aufzuführen. (.......) Den Veranstaltern ist es hoch anzurechnen, dass sie sich außerordentlich um ihr Publikum bemühen. So blickten die Apostel, Engel und Posaunenbläser der prunkvollen barocken Stiftskirche auf ein voll besetztes Kirchenschiff herab.

Vorarlberger Nachrichten 22.06.2002
Der "Goethe" unter den Tenören / Peter Schreier wieder umjubelt
Schwarzenberg. Er hält sich seit Anbeginn der Schubertiade dem Festival die Treue, seine internationale Fangemeinde ist ihm ebenso unverbrüchlich treu - Kammersänger Peter Schreier, der legendäre deutsche Tenor, der sich von der Opernbühne verabschiedet hat, jedoch mit exquisiten Liederabenden weiterhin sein Publikum beglücket. (......) Und wenn der Tenor mit unverminderter stimmlicher und interpretatotrischer Meisterschaft die berühmtesten Goethe/Schiller-Lieder singt, dann liegt die Assoziation nahe, ihn vielleicht auch als "Olympier", als "Goethe" unter den großen Tenören zu apostrophieren. Der Einsatz seiner berühmten Stimme ist immer noch technisch makellos; jedes Lied ist eine eigene, emotionell höchst differenzierte Seelenlandschaft, und Schreiers Textbehandlung - gerade bei Goehte - stellt, abgesehen von der Genialität der Schubert'schen Melodien, auch einen hohen literarischen Genuss dar. Einige Lieder seien exemplarisch erwähnt: Die drängende "Rastlose Liebe", die natürliche Schlichtheit des "Heidenrösleins", der expressive "Ganymed", wunderbar verschmitzt "Geheimes", mit getragenem Ernst die "Gesänge des Harfners", als mitreißend vitaler Kontrast der beliebte "Musensohn". Nach der Pause blitzten weitere Liedperlen auf - nach Texten von Rückert (z.b. "Du bist die Ruh"), Collin, Uhland ("Frühlingsglaube"), Lappe ("Im Abendrot"), Schubart ("Die Forelle") und Rellstab, etwa das wunderschönen "Ständchen".

Diesmal begeleitete (sehr sensibel) schon wieder ein neuer Pianist der großen Sänger - das ehemalige Kreuzchor-Mitglied Alexander Schmalcz, der inzwischen international Karriere macht. Schreier ist bekannt dafür, dass fast bei jedem Konzert ein neuer "Mitgestalter" am Flügel sitzt (.....). "Ich möchte erstens immer wieder jungen Talenten eine Chanche geben, und zweitens profitiere auch ich immer noch von frischen Anregungen duch den Pianisten". In einem anderen Punkt, der die nachfolgende Sängergeneration betrifft, winkt er ab. In Schwarzenberg wurde schon öfters der Wunsch nach einem Meisterkurs laut. Schreier: "Das wird nie geschehen, da hätte ich viel zu wenig Geduld!" Übrigens - eine hübsche Pointe ist, dass der Meister jetzt eine Nacht in Feldkirch und eine in Schwarzenberg geschlafen hat. Ein reifer "Goethe" darf ja auch ein bisschen nostalgisch sein.....

Turun Sanomat 17.06.2002
Näkemyksellistä motettitaidetta
Naantali. Bachin kuudesta motetista - joista eräiden alkuperä tosin on epäselvä - sukeutuu hieno konserttikokonaisuus, yleisölle nautinnollinen ja esittäjille haastava. Haastavuus perustuu laulajien näkökulmasta hankalahkoon satsiin - Bachin pitkät melismat ovat enemmän instrumentaalisesti kuin vokaalimusiikin näkökulmasta kirjoitettu ja sellaisina jotensakin ongelmalliset toteuttaa. Kapellimestarilta edellytetään puolestaan jämäkkää ja syvällistä suhdetta teksteihin, musiikin polyfoniaan ja lukemattomiin mikrotason finesseihin. (.......) Schreierin tulkinnallinen ote huokuu kokemusta, pohdiskelua, musiikin syvärakenteen tuntemusta. Ratkaisut ovat perusteltuja ja eläviä, esimerkillisellä tavalla tekstiä tukevia. Avausnumerossa kuultiin lukuisia rohkeita tulkinnallisia eleitä, kuten kulmakasta aksentointia, teräväpiirteistä polfonian jäsentelyä ja kipakkaa terassidynamiikkaa. Esitysvarmuus oli huippuluokkaa. Esimerkiksi teoksen päätöksen äkkijyrkkä temponvaihdos toteutui näytöstyyliin - presto-tempo ampaisi liikkeelle kuin rusakko kyykystä. (........) Vakuuttavimpana pidin nimenomaan viimeisen motetin esitystä. Kapellimestari Schreier antoi sijaa romanttisvivahteiselle maalailulle esimerkiksi legaton käytössä ja dynamiikan laveudessa. Kakkososassa Schreier otti kaiken irti agogiikasta. Osalle ei vakiintunut mitään perustempoa vaan nopeus vaihteli taite taitteelta pohdiskelevan tunnelman mukaisesti. Lopputuloksena on eräänlaista musiikillista proosaa, tekstiin symbioottisesti nivoutunutta vapaata sävelajattelua. Kukin moteteista alkoi urkujen lyhyellä johdannolla, jossa vakiinnutettiin teoksen sävellaji ja rytmismelodinen perustunnelma. Urkuri Hansjörg Albrecht ja gambisti Markku Luolajan-Mikkola soittivat continuo-osuudet luotettavasti. ML.


Offenbach-Post 11.06.2002
Erbauliche Lieder intensiv gesungen

In Heusenstamms Balthasar-Neumann-Kirche St. Cäcilia sang Peter Schreier, legendärer Ex-Kruzianer und Bach-Tenor, eine Auswahl aus dem Gesangbuch. Recht Unterschiedliches ist da vereint: Liedmäßiges und Arienhaftes, Tänzerisch-Galantes und pathetischer Schwulst, pietistische Schäferlyrik und Jesusminne. Schreier wusste die stilistischen Unterschiede auszuloten, der Tonlage des Textes nachzuspüren und die religiöse Aussage glaubhaft wiederzugeben. Den erbaulichen Miniaturen widmete er die gleiche Sorgfalt wie jedem Kunstlied der Romantik oder einer dramatischen Arie. Jede Zeile, jede Strophe war in Dynamik, Tempo und Artikulation individuell gestaltet, jedes Wort verständlich. Die Melodien zierte der Sänger variantenreich aus.Schreiers Stimme hat naturgemäß an Beweglichkeit, Klarheit und Mühelosigkeit in der Höhe verloren, doch noch immer kann sie sich zu strahlend hohem Register steigern, verfügt der Tenor über ein makelloses Piano, über schlankes, weiches und dennoch konturiertes Timbre. Schlichtheit und Innigkeit bestimmten die Wiedergabe, der poetische Überschwang ließ sie nie ins Süßliche gleiten. Sein junger Begleiter Hansjörg Albrecht, der neuerdings häufig mit Schreier auftritt, beherrschte souverän die Kunst improvisatorischer Ausführung des nur "stenografisch" vorgegebenen Accompagnements. Je nach Liedcharakter begleitete er auf Orgelpositiv oder Cembalo mit unterschiedlich reicher Ausgestaltung. Das Zusammenwirken der perfekt aufeinander eingespielten Künstler machte die Lieder zu Kabinettstückchen.Der sächsische Organist und Cembalist, ebenfalls im Kreuzchor ausgebildet und Schüler des Franzosen Thierry Mechler, spielte zwischen zwei Liedblöcken auf dem Cembalo die Chromatische Fantasie und Fuge d-moll BWV 903, sowohl die arpeggienreiche, harmonisch kühne Fantasie als auch die ungewöhnlich lange Fuge mit höchster Virtuosität. E.S.

Politiken 23.04.2002
Sjov med Johann Sebastian
Radiosymfoniorkestret og solister
København. Hvor herligt! At more sig sammen med gode solister i anledning af to verdslige Bachkantater. Det er ikke et repertoire, vi tit får at høre, selv om bryllupskantaten 'Weichet nur betrübte Schatten' er et kendt værk. Sopranen Lisa Larsson var en fin oplevelse som solist. (.....) Efter pausen kom salen op af de læderbetrukne. Her gjorde et større solisthold sin entré, og denne gang snakker vi sangere. Anledningen var den mytologiske kantate 'Striden mellem Phoebus og Pan', der lader Phoebus Apollon og skovguden Pan stille op til sangerdyst i et rigtigt dramma per musica. (......) Jeg nød i øvrigt Schreiers udmærkede Bach. Han får ikke barokken til at kradse så meget, som nogle af de mere rabiate barokfolk, selv om han da pointerede skingre violiner til understregning af Midas dårlige gehør, som sikrer ham æselører. Men han fik de to kantater til at synge ganske fint. Derimod var jeg ikke rigtig tryg i begyndelsen af koncerten. Hornisterne David Palmquist og Leif Lind boblede det bedste, de havde lært på deres uriasposter, mens verdenstenoren Schreier viste, hvad han duer til på sin prominente retrætepost som dirigent med speciale i Bach. Men trods respektindgydende indsatser fra de rødhovede blæsere var der noget usikkert over den første af Bachs seks Brandenburgkoncerter, der med sine fire satser kammer fra italiensk over i fransk barok med en afsluttende menuet, der afbrydes både af slanke blæsertrioer og en polonaise. Intet af det kunne læses ud af koncertprogrammet, som ingen satstitler indeholdt. Stærkt forvirrende for dem, der ikke lige kan deres Bach på fingrene. Og helt personligt irriterende for undertegnede, der trods det, at han ikke har været ansat ved DR siden nytår, fortsat må finde sig i at figurere med navns nævnelse som redaktør af koncertprogrammer, han intet har med at gøre. Den var til orkesterchefen. (Th.M.)

Pforzheimer Zeitung 09.04.2002
Prägnante Gestaltungskraft
In der Reihe "Musik aus Dresden" hatte die evangelische Kirche Birkenfeld am Sonntagabend einen illustren Künstler zu Gast: den Tenor Peter Schreier.
Keine spektakulären Arien oder geistliche Konzerte standen auf dem Programm, sondern jene Perle evangelischer Choralliteratur, die als Schemellis Gesangbuch bekannt ist. Wie es in der originalen Vorrede so schön heißt, sind in diesem Gesangbuch "geistreiche, sowohl alte als neue Lieder und Arien mit wohlgesetztem Diskant und Bass befindlich", Herausgeber Georg Christian Schemelli, Leipzig 1736. Nun sind diese Lieder und Arien keinesfalls einfaches Gesangsgut, sie spiegeln vielfache, mit barocker Sprachgewalt ausgeschmückte Seelenregungen wider, und der jeweilige Interpret, wenn er es denn künstlerisch auffasst, hat da ein weites Feld der Nuancen. Man konnte es von Peter Schreier zu Recht erwarten, dass er hier seine ganze Erfahrung, sein sensibles künstlerisches Verständnis und eine vielfältige Ausdrucksweise einbringen würde. Das war denn auch das markante Merkmal dieses Konzertabends, die prägnante Gestaltungskraft und Variabilität. Dabei war der Cembalist und Organist Hansjörg Albrecht, ebenfalls aus dem Dresdener Kreuzchor hervorgegangen, ein mehr als adäquater Partner, sensibel auf jede Nuance eingehend, dabei von exzellentem musikalischen Verständnis. Zwei Musikergenerationen waren hier zu erleben, aber ein Geist und zwei überdurchschnittliche Künstler. Peter Schreier kann diese stillen oder beschwingten, sieghaften oder todessehnsüchtigen Lieder gestalten, er kann mit Tempowechsel und Verzierungen die einzelnen Strophen zu dramatischer Gewalt oder ganz stiller Meditation führen, seine Sprache ist bis ins Kleinste zu verstehen, wenn auch der älter gewordene Künstler manchem eine neue stimmliche Gestalt geben muss. Aus dem gnadenlos hellen Timbre der Stimme ist eine sonore Mittellage geworden, die gleichwohl klangreich und weittragend bleibt oder im zarten Piano verklingen kann. Die reiche Palette seiner Farben gab gerade jenen von J. S. Bach gesetzten Liedern ein beglückendes Spektrum und vertiefte die geistliche Aussage der Texte. Nicht nur als großartiger Begleiter am Cembalo hörte man Hansjörg Albrecht, er erfreute die Hörer ebenso mit drei Orgelwerken von J. S. Bach. (.....) E.N.

Hufvudstadsbladet 25.03.2002
Passionen blev nästan opera
Johannespassionen. Nationaloperans stora scen 23.3.
Helsinki. Johann Sebastian Bach komponerade ingen opera men i sina passioner kom han så tätt intill operaformen att det ligger nära till hands att göra dem sceniskt. Intrigen, om ett så världsligt ord kan tillåtas i detta sammanhang, är ju odödlig och huvudrollen den största tänkbara utmaning att gestalta. Då är Johannespassionen med sin snabbt framåtskridande berättelse lättare att göra än den bredare och djupare Matteuspassionen. Nationaoperans iscensättning av Jesu lidande och död gick pietetsfullt till väga. Det var enkla och klara sceniska lösningar som gällde, och en mer teatralisk lösning kunde ha blivit komisk då evangelistan i varje fall berättar vad som kommer att hända. En del av kören uppträdde som judarna som läser lagen och kräver att den självutnämnda konungen skall korsfästas, medan den andra delen stod på sidan av estraden sjungande koraler som prisar förlösaren. (.......) Den drivande motorn var Peter Schreier i egenskap av både dirigent och evangelista. Schreiers förmåga att både musikaliskt och dramatiskt gestalta texten bottnar i en så djup insikt i Bachs musik och barocktidens uppförandepraxis att de övriga solisterna omöjligt kunde nå upp till samma nivå, hur väl de än satt i sina roller. Schreiers enda problem uppstod då han skulle få körapparaten med sig - trots lämpligt utplacerade monitorer visade det sig vara svårt för den på olika ställen utplacerade kören att följa dirigentens taktslag och markeringar. (......) M.K.


Il Messaggero 12.03.2002
Schreier a Santa Cecilia, immersione nella Passione
Roma. (......) Un'ora prima dell'inizio del concerto si era già formata una lunga fila al botteghino per i biglietti. Molti giovani, ma non solo, avevano sotto braccio una partitura, di quelle grandi, che si usano per cantare nei cori. In sala avrebbero seguito l'esecuzione con un occhio alle note. In programma c'era un monumento, la "Passione secondo Matteo" di Bach, capolavoro irripetibile per la sua bellezza e profondità "teatrale" nel sonorizzare la vicenda di Cristo. Sul podio Peter Schreier, nella duplice veste di direttore e cantante solista (nel ruolo dell'evangelista). Come aveva già fatto tre anni fa con la stessa Passione e l'anno scorso con quella di Giovanni, Schreier era rivolto verso il pubblico e aveva disposto ai suoi lati le due orchestre e i cori; dietro di lui l'ottimo coro di voci bianche "Aureliano", istruito da Bruna Liguori Valenti. Il punto di forza di Schreier è l'immersione fisica (canta e dirige a memoria) e musicale nella "Passione", anche se nella sua interpretazione è difficile trovarvi sorprese o novità: tutto è nel solco della grande tradizione tedesca. Buono il cast vocale: il soprano Ute Selbig (la migliore), il mezzosoprano Rosemarie Lang, il tenore Martin Petzold e i bassi Andreas Scheibner ed Egbert Junghanns. Coro e orchestra non sempre erano in perfetta sintonia col direttore. Puntuali gli interventi solistici nelle arie concertanti; tra i tanti, quello del violinista Carlo Maria Parazzoli nella sublime "Erbarme dich" e del flautista Carlo Tamponi in "Aus liebe". LdL


Thüringische Landeszeitung 28.02.2002
Erfurt erlebte große Stunde des Liedes
Wie oft wird er die "Dichterliebe" von Robert Schumann gesungen haben? Auch ohne Antwort verbirgt sich hinter dieser Frage die Hochachtung vor dem Sänger, der sich diesen Liederzyklus, Höhepunkt des deutschen Kunstliedes der Romantik, mit großer Vollkommenheit zu eigen gemacht hat. Nicht Peter Schreier glaubte der Besucher zu hören, der auf Einladung des Lions-Clubs Erfurt-Thuringia zum Benefizkonzert zugunsten unfallgeschädigter Kinder in Erfurts Kaisersaal gekommen war. Er fühlte sich mitgenommen in eine Gedanken- und Gefühlswelt, die Heinrich Heine mit zarten, bildreichen, auch ironisch angehauchten Worten umschrieben und der Schumann mit tief erfühlter Musik eine bedrückend stimmungsvolle Atmosphäre gegeben hat.
Schreier versteht sich als beider Sprachrohr. Er wandelt aus größtem Verständnis und mit absoluter Treffsicherheit auf den Spuren der vollendeten Symbiose aus Wort und Ton. Er dringt ein in die geheimsten Winkel Schumannscher Empfindung und weist dem Hörer den Weg zu intensivem Nacherleben. Nirgends sprengt er den Rahmen des Lyrisch-Erzählenden, obwohl einige Versuchungen zu dramatisch-espressiven Lichtern seiner warten (Ich grolle nicht; Die alten bösen Lieder). Schreier gestaltet den Zyklus als innere Einheit, von dessen 16 Liedern jedes eine andere Sprache spricht, die aber in der Folge einen wunderbaren Zusammenhang ergeben. Er weiß genau, was er singt: Mit prächtig gestaltender Sprache öffnet er Horizonte. Und er kennt die Tücken der Lieder, denn er rückt ihnen mit gewaltiger gesangs-technischer Disziplin zu Leibe, so dass die hörbaren Spuren fortschreitender Jahre in Grenzen bleiben.
Die große Stunde des Liedes wäre undenkbar ohne den Poeten, der das Klavier mit Samthänden streichelt, ihm zauberhaft beredte Klänge in wundersamer Transparenz entlockt und die aufgestaute Spannung in gedankenverlorenen Nachspielen vertreibt. Alexander Schmalcz, Begleiter mit eigener Intuition, war die ideale Ergänzung für den Sänger, der nicht selbst im Vordergrund steht, sondern der dem Blick des Komponisten in die Tiefe der Seele folgt. Alle anschließenden Lieder waren Nachspiele, obwohl mit "Frühlingsglaube", "Du bist die Ruh", "Schäfers Klagelied" u. a. Meisterwerke aus Schuberts Feder, genauso stilvoll dargeboten, zu erleben waren.
H-J. T.


Westfalenpost 25.02.2002
"Messias" in Werl wurde zu Festival der Stimmen
Glanzvolle Aufführung in der Propsteikirche

Zehn Minuten Beifall

Es war wie Weihnachten. Schnee in der Luft, das Gotteshaus bevölkert wie selten und ein Gabentisch so reich an kultureller Güte, dass man sich dessen noch lange erinnern wird: Das Konzert "Der Messias" von Georg Friedrich Händel wurde am Samstag in der Propsteikirche zu einem musikalischen Kulturereignis von außergewöhnlichem Rang. Das faszinierte Publikum erlebte ein imponierendes Stimmenfestival. Dass die glänzende Inszenierung unter der Leitung von Dr. Wolfgang Besler im Zeichen eines Abschieds stand, verlieh dem Konzert zusätzlichen Reiz. Peter Schreier, letztmalig vor drei Jahren in der Propsteikirche zu hören, beschloss am Samstag in Werl seine offizielle Karriere als Tenor. Unüberhörbar erwies sich sein Finale als ein bravouröser künstlerischer Abgang. (.....) Neben dem erwartungsgemäß glänzenden Tenor Peter Schreier und dem stimmlich vortrefflichen Wolfgang Schöne (Bass) traten die blendende Sopranistin Doerthe Maria Sandmann und die erfahrene Altistin Anne-Maria Seager auf. Auf gleich hoher Gestaltungsebene bewegte sich das "Concertino Dresden" , dessen instrumentelle Perfektion über jeden Zweifel erhaben ist. (......) Als das Oratorium ausklang, klatschte im Publikum als erster ein Mann vom Fach. Studiendirektor i.R. Franz-Josef Zimmerhof. Der einstige Chorleiter und gymnasiale Musiklehrer sorgte für ein zehn Minuten andauerndes Beifallsmanifest. Im Gespräch mit den Mitwirkenden erinnerte Franz-Josef Zimmerhof daran, dass er in Werl erstmals nach dem Kriege 1956 im abgerissenen belgischen Kino den "Messias" auf die Bühne brachte (.........).

The Daily News of Los Angeles 05.02.2002
'Mass' proves an eye-opener
It's difficult to digest 100 minutes of Bach, even a work of sublime beauty like Bach's "Mass in B Minor." That's why Achim Freyer's abstract staging of the "Mass," running through Feb. 16 at Los Angeles Opera, is such a blessing: It gives the audience something visual on which to focus. Opera patrons can find the rendition most satisfying as long as they remember that the main action is in the orchestra pit. The faceless, miming figures on stage are just there as a visual enhancement. If they prove distracting, patrons can always close their eyes and hear a transcendent rendition of the "Mass" sung by the Los Angeles Opera Chorus and conducted by Bach guru Peter Schreier. While he has a reputation as something of a purist, Schreier's interpretation was free and imaginative, conducting the piece like a celebration, taking liberties with the tempi and allowing a natural vibrato from the chorus. Of course, he had four top-notch soloists. Alto Annekathrin Laabs was the biggest standout, bringing passion and a rich, full-bodied tone to "Laudamos Te," and the final "Agnus Dei." She was best in the sections marked Soprano II, and had a bit of difficulty with the lowest notes in the alto passages. Still, her dynamic approach did much to compensate. Laabs' duets with soprano Simone Nold were angelic, especially the "Et in unium Dominum, Jesum," from the Credo section. Tenor Marcus Ullmann's light, expressive voice lent clarity to his solo sections. He shone in the "Benedictus," which was a high point for Schreier and the orchestra as well. Schreier gave the passage weight and pathos by taking his time with the orchestral passages and slowly building to the final resolution. (.....) R.M.


Münchener Merkur 16.01.2002
Weltverlorenheit

''Winterreise'': Schreier sang für Dresdens Frauenkirche
(.......) Sein Liederabend am Montag im vollbesetzten Münchner Prinzregententheater galt dem Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche.
Peter Schreier, der in seinen Blütezeiten als lyrischer Tenor auf der Opernbühne vor allem bei Mozart und im Konzertsaal (als d e r Bach-Evangelist) keine Konkurrenz kannte, hat sich seine Spitzenqualitäten bis heute bewahrt. In Schuberts "Winterreise" bewies er dem Münchner Publikum erneut, welch hervorragender Stilist und Techniker er ist. Die Stimme - nie verführerisch funkelnd, sondern seit je geprägt von instrumentaler Klarheit - springt auch heute noch sofort an, ist tragfähig und besticht durch ihre Flexibilität und Modulationsfähigkeit. Peter Schreier charakterisiert klug den zunächst noch Aufbegehrenden, immer mehr Verlorenen der "Winterreise". Er bewegt sich, mit gekonntem Registerwechsel, meist im eindringlichen Piano oder Mezzavoce und legt nur sehr selten dynamisch zu. Helmut Deutsch eröffnet in Schuberts Klaviersatz seinerseits die ganze Trostlosigkeit und Leere dieses musikalischen Psychogramms - in dem die lichten Erinnerungen, die Hoffnungsschimmer ("Gute Nacht", "Der Lindenbaum", "Frühlingstraum", "Die Post") rar sind. Ohne Larmoyanz, ohne Manierismen, ganz nah am Text, zieht Schreier die Zuhörer in seinen Bann, besonders ergreifend in "Wasserflut", "Irrlicht" "Frühlingstraum" und der seelenwunden Weltverlorenheit in den vier letzten Liedern. Das Publikum dankte begeistert. (G.L.)




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